Einspruch

Bewusstsein statt Gedenkrituale

Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Anfang Januar herrschte Massenbetrieb in der Gedenkstätte Buchenwald. Alle Parkplätze waren belegt; selbst an den Zufahrtsstraßen parkten Autos in langen Reihen. Ein plötzlicher Kollektivanfall von Interesse an der NS-Geschichte, an der Würdigung der Opfer? Nein, es war der Schnee, der lockte.

Erstmals seit Jahren war der Ettersberg oberhalb von Weimar wieder dick in Schnee eingehüllt. Und die nach langer Corona-Isolation zermürbten Familien trieb es mit Skiern und Schlitten nach draußen, in den Wald, aber eben auch in das Gedenkstättengelände auf dem Ettersberg. Zehntausende wurden in Buchenwald zwischen 1937 und 1945 ermordet. Die Asche Tausender Opfer, die im Krematorium verbrannt wurden, liegt in drei großen Ringgräbern am Südhang des Ettersberges. Einige Schlittenspuren endeten in den Gräbern.

verhöhnung Was treibt Menschen an, auf KZ-Gräbern zu rodeln? Sind das alles Nazis, die KZ-Opfer verhöhnen wollen? Sicherlich nicht. Die meisten sind schlicht ignorant und unsensibel. Unwillentlich verhöhnen aber auch sie die Opfer. Dem historischen Ort und seinen Opfern begegnen sie mit Indifferenz; sie sehen nicht, was das mit ihrem eigenen Leben zu tun haben soll.

Es reicht nicht, in moralischer Empörung zu verharren.

Gerade deshalb reicht es nicht, in moralischer Empörung zu verharren. Unser aller Aufgabe muss es sein, den Menschen zu vermitteln, dass die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen grundlegend ist für unser demokratisches Selbstverständnis. Pathosgeladene Gedenkrituale wie jetzt wieder am 27. Januar helfen da kaum weiter.

Was wir brauchen, ist eine gesellschaftsgeschichtliche Selbstbefragung der Deutschen: Was hat im Nationalsozialismus derart viele Menschen motiviert, bereitwillig mitzumachen? Welche Denk- und Handlungsmuster sind auch heute noch verbreitet? Nur so können wir Geschichtsbewusstsein vermitteln – im Sinne einer in die Gegenwart gerichteten Reflexion über die Vergangenheit und damit auch der Achtung vor den Opfern des Nationalsozialismus.

Der Autor ist Stiftungsdirektor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.

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