Interview

»Besondere Symbolkraft«

Herr Mannheimer, Angela Merkel ist am Dienstag Ihrer Einladung zum Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau gefolgt. Wie bewerten Sie den Besuch der Bundeskanzlerin an diesem Ort des Gedenkens?
Vor Angela Merkel ist noch kein amtierender deutscher Regierungschef je in die Gedenkstätte gekommen und hat sich auf dem Gelände, am historischen Ort, von den furchtbarsten Verbrechen, die aus Verachtung der Menschenrechte begangen wurden, überzeugt. Helmut Kohl, der am 21. August 1990 Dachau besuchte und gleichfalls im dortigen Festzelt eine Wahlveranstaltung gab, hatte damals nicht den Wunsch, die Gedenkstätte zu besuchen – vermutlich deshalb, weil es ihn möglicherweise Wählerstimmen gekostet hätte. Der Besuch von Frau Merkel hat nicht nur aus historischer Perspektive ganz besondere Symbolkraft.

Inwiefern denn noch?
Mit dem Ereignis wird sich für immer verbinden, dass die Gräuel der Vergangenheit niemals vergessen werden. In einer Zeit, in der ein großes Maß an Antisemitismus feststellbar ist, Anfeindungen gegenüber Juden erschreckend zunehmen und die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten drastisch ansteigt, ist der Besuch der Bundeskanzlerin politisch und gesellschaftlich äußerst aussagekräftig.

Was bedeutet Ihnen diese Begegnung persönlich?
Es hat mich natürlich außerordentlich gefreut, dass die Kanzlerin meiner Einladung gefolgt ist. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Arbeit an der Erinnerung und eine große Ehre und Wertschätzung. Insbesondere für uns Überlebende, denen an diesem Ort von einem Verbrecherregime und im Namen des deutschen Volkes grauenvolles Unrecht angetan und unmenschliches Leid zugefügt wurde.

Was war die Besonderheit des Konzentrationslagers in Dachau?
Dachau war Ausbildungsort und Modell für die Konzentrationslager der Nazis. Das KZ Dachau wurde zur »Mörderschule«, zur »Schule der Gewalt« und zum Vorbild für alle Lager, die in den nächsten Jahren in Deutschland und schließlich in halb Europa errichtet wurden. Nicht alle SS-Leute waren von Anfang an bereit, Juden zu töten. Teil des Lagers war auch die Ausbildungsstätte, wo Kommandant Theodor Eicke seine Männer systematisch auf Hass und Menschenverachtung und zu Mördern drillte. Nach Eickes Organisationsstruktur funktionierten ab 1934 alle KZs im Reich, und nicht selten stammten ihre Kommandanten aus der Dachauer »Schule der Gewalt«.

Welche Botschaft geht von Dachau aus?
Ich wünsche mir sehr, dass der Besuch der Bundeskanzlerin auch die Botschaft transportiert, wie wertvoll die Menschenwürde, wie wertvoll Demokratie, Rechtsstaat und der Frieden in unserem Land sind. Die Erinnerung an die NS-Zeit mit ihrer schrecklichen Menschenverachtung muss immer eine Ermahnung bleiben, für Freiheit, Verständigung und Menschlichkeit einzutreten.

Das Interview mit dem Schoa-Überlebenden und Präsidenten der Lagergemeinschaft Dachau führte Detlef David Kauschke.

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

»Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben«, schreibt Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025

Kairo

Ägypten: Angeblich Pläne für USA-Reise von Präsident al-Sisi

Seit Beginn des Gaza-Kriegs sollen Israels Premier und Ägyptens Staatschef keinen Kontakt gehabt haben. Wird sich al-Sisi mit Hilfe eines Gas-Deals zu einem Treffen in den USA bewegen lassen?

 18.12.2025

Bildungsministerkonferenz

Publizist Friedman: Leben jüdischer Kinder schlecht wie nie seit 1945

Schulen als Bildungsorte für Demokratie und Menschenrechte, gegen Hass und Antisemitismus: Der Publizist Michel Friedman sieht hier große Defizite in Deutschland

 18.12.2025