Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz will mit einem neuen Forschungsprojekt mögliche Verstrickungen früherer Verwaltungschefs in nationalsozialistisches Unrecht aufklären.
Ziel des seit Anfang des Jahres laufenden Projekts ist, anhand der damaligen Konsistorialpräsidenten die Verantwortung der kirchlichen Verwaltung in der NS-Zeit zu beleuchten. Die aktuelle Konsistorialpräsidentin der Landeskirche, Viola Vogel, sprach am Montag bei der Vorstellung des Forschungsvorhabens in Berlin von einem »blinden Fleck«.
Anlass der Präsentation war der 80. Jahrestag des Stuttgarter Schuldbekenntnisses der evangelischen Kirche. Darin wurde am 18. und 19. Oktober 1945 eine kirchliche Mitverantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes erklärt.
Erinnerungskultur unter Druck
Die Forschungsergebnisse zu den ehemaligen Konsistorialpräsidenten sollen bis Ende 2026 veröffentlicht und 2027 im Rahmen einer Ausstellung präsentiert werden. Die Beauftragte der Landeskirche für Erinnerungskultur, Marion Gardei, erklärte, damit solle auch ein Grundstein für weitere Forschungen gelegt werden.
Vogel betonte, das Forschungsprojekt liege ihr »kirchenpolitisch sehr am Herzen«. Derzeit gerate die Erinnerungskultur »insgesamt unter politischen Druck«. Das zur Zeit des Nationalsozialismus begangene Unrecht werde verharmlost und der Widerstand gegen das NS-Regime für aktuelle politische Zwecke instrumentalisiert. »Dagegen wollen wir als Landeskirche ein Zeichen setzen und die Geschichte unseres Konsistoriums ehrlich und umfassend aufarbeiten«, betonte die
Die beauftragte Historikerin Martina Voigt recherchiert derzeit nach eigenen Angaben zu den Biografien der fünf Verwaltungschefs der Kirchenprovinz Mark Brandenburg der damaligen Evangelischen Kirche der altpreußischen Union in der Zeit von 1933 bis 1945. Im Blick sind zudem deren Stellvertreter sowie weitere Konsistorialräte.
Entzug der Versorgungsgrundlage
Konsistorialpräsidenten waren von 1925 bis 1933 August Gensen (1863-1948), von 1934 bis 1936 Paul Walzer (1879-1936), von 1936 bis 1937 Georg Rapmund (1897-1937), von 1937 bis 1938 Ewald Siebert (1895-1966) und von 1938 bis 1945 Johannes Heinrich (1895-1945).
Diese konnten unter anderem durch Disziplinarverfahren Pfarrer, die Mitglied der oppositionellen Bekennenden Kirche waren, »mundtot« machen und ihnen durch Streichung der Bezüge die Versorgungsgrundlage entziehen, wie Vogel betonte. Zudem war das Konsistorium für die Ausstellung der sogenannten »Ahnennachweise« zuständig. Damit mussten etwa Beamte und NSDAP-Mitglieder, später auch Heiratswillige, eine »arische Abstammung« nachweisen.
Das Konsistorium war damals die leitende Dienstbehörde der Kirchenprovinz Mark Brandenburg und auch in der Zeit des Nationalsozialismus Dienstherr über die Pfarrerinnen und Pfarrer. Das Forschungsprojekt knüpft an frühere Aufarbeitungsinitiativen der Landeskirche an. Dazu gehört unter anderem die Errichtung einer Gedenkstätte für NS-Zwangsarbeiter in kirchlicher Verantwortung in Berlin-Neukölln. epd