Antisemitismus

Berliner haben weniger Vorurteile

Antisemitische Einstellungen sind in Berlin weniger verbreitet als im Bundesdurchschnitt. Foto: Getty Images

Trotz zahlreicher antisemitischer Vorfälle in Berlin sind einer aktuellen Studie zufolge unter der Berliner Bevölkerung antisemitische Einstellungen weniger verbreitet als im Bundesdurchschnitt. Die Hauptstadt werde ihrem Ruf als plurale und multikulturelle Gesellschaft weitgehend gerecht, heißt es in dem am Mittwoch präsentierten ersten »Berlin-Monitor 2019«.

Für die repräsentative Bevölkerungsumfrage zu politischer Kultur und Partizipation, gruppenbezogenen Vorurteilen und Diskriminierungserfahrungen seien von Anfang März bis Ende April dieses Jahres 2.005 Berlinerinnen und Berliner ab 16 Jahren befragt worden. Erstellt wurde der »Berlin-Monitor 2019« von der Universität Leipzig und der Universität Magdeburg-Stendal.

Fazit Laut der Studie stimmen der Aussage, »die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns«, in vergleichbaren Untersuchungen in Deutschland sechs Prozent manifest und elf Prozent latent zu.

Die Forscher gingen auf Antisemitismus zwischen migrantischen Bevölkerungsteilen und Deutschen ohne Migrationshintergrund ein.

In Berlin seien es drei Prozent beziehungsweise sieben Prozent. Die Ergebnisse zeigten, dass jüdische Lebenswelten plural und Teil der Vielfalt Berlins sind. Die Bevölkerung der Stadt sei »nur in geringem Maße vorurteilsbehaftet und antisemitisch eingestellt«, so das Fazit.

Diskriminierung Dennoch sei das Recht auf Gleichheit und Differenz für jüdische Berliner teils stark eingeschränkt, betonten die Forscher weiter. Jüdische Berliner seien nicht nur von Antisemitismus betroffen, sondern auch von unterschiedlichen Formen der Diskriminierung. Am häufigsten seien antisemitische Ressentiments unter älteren Menschen zu finden, während bei den jüngeren Jahrgängen die manifeste Zustimmung zu antisemitischen Aussagen fast gar nicht anzutreffen sei, heißt es in der Studie weiter.

Die Forscher gingen auch auf den oft kontrovers diskutierten Unterschied im Antisemitismus zwischen migrantischen Bevölkerungsteilen und Deutschen ohne Migrationshintergrund ein. »In unserer Untersuchung ist der Unterschied im tradierten Antisemitismus deutlich. Deutsche ohne Migrationshintergrund äußern seltener Ressentiments gegen Jüdinnen und Juden, als Berlinerinnen und Berliner mit Migrationshintergrund und ohne deutsche Staatsbürgerschaft«, heißt es in dem Bericht. Hier gebe es weiteren Forschungsbedarf.

Zugleich kommen die Wissenschaftler im »Berlin-Monitor« zu dem Befund, dass Flüchtlinge, Muslime sowie Sinti und Roma in Berlin am stärksten von Vorurteilen betroffen sind. Ihnen würden bei jedem vierten Berliner gruppenbezogene Vorurteile entgegenschlagen.

Die Befragung zum »Berlin-Monitor« soll künftig alle zwei Jahre stattfinden.

Herkunft Die Untersuchung zeige auch, dass viele Berliner selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. So seien 29 Prozent einmal aufgrund ihres Geschlechts, 27 Prozent aufgrund ihrer Herkunft und zwölf Prozent aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminiert worden.

»Erfreulicherweise werden jedoch die meisten Vorurteile von der Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner deutlich zurückgewiesen, und die Verbreitung von Vorurteilen liegt unter den Vergleichswerten für das Bundesgebiet«, bilanzierten die Wissenschaftler. Berlin sei eine diverse und für Pluralität offene Stadt mit einem hohen Maß an zivilgesellschaftlichem und politischem Engagement. Die Befragung zum »Berlin-Monitor« soll künftig alle zwei Jahre stattfinden.  epd

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Berlin

RIAS: Polizei erfasst antisemitische Taten lückenhaft

Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und ein insgesamt unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken

 25.11.2025

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  25.11.2025