Debatte

Berlin: Kritik an Wahlplakat der Jusos

Wahlplakat der Jusos vor der Neuen Synagoge in Berlin

Sollte das Bundesverfassungsgericht den Termin nicht vorher noch kippen, findet die Wiederholung der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 12. Februar 2023 statt, in gerade mal einem Monat. Kurz nach Chanukka und Weihnachten begannen die Parteien wie erwartet, in der Stadt mit Plakaten für sich werben.

Die Jusos trugen zum sehr breiten Spektrum an Wahlplakaten bei. In Mitte, und zwar direkt vor der Neuen Synagoge, sowie am Roten Rathaus und andernorts, hängt ein von ihnen ersonnenes Plakat. »Rechts wählen ist so 1933«, steht darauf. »Keine Stimme der AfD.« Die Jahreszahl 1933 wurde in Runen gedruckt.

Tahera Ameer vom Vorstand der Amadeu Antonio Stiftung, die sich seit Jahren gegen Antisemitismus engagiert, sieht das Plakat sehr kritisch: »Um Rechtsextremismus zu bekämpfen und sich für den Schutz jüdischen Lebens einzusetzen, muss man keine NS-Vergleiche ziehen«, sagte sie der Jüdischen Allgemeinen. »Der Vergleich ist geschichtsvergessen und dann auch noch bewusst diesen Ort vor der Neuen Synagoge in Berlin zu wählen, finde ich ein wenig geschmacklos.«

VERGLEICHE »Heute ist nicht 1933, die SPD hat damals ihren Teil dazu beigetragen, dass die Weimarer Republik schwach war. Ich würde mir wünschen, dass die Jusos sich darüber Gedanken machen, was aus der Geschichte zu lernen ist für die SPD«, so Tahera Ameer weiter.

»Es ist ja nicht so«, betont Ameer, »als ob die Partei, in doppelter Regierungsverantwortung, nicht mehr für die Verbesserung des Schutzes jüdischen Lebens tun könnte, als schiefe historische Vergleiche anzubringen und flapsig davon abzuraten, eine rechtsextreme Partei zu wählen.«

Kerstin Spriesterbach vom SPD-Ortsverein Alexanderplatz verteidigt das Plakat und die Örtlichkeit in der Oranienburger Straße. »Wir haben uns sehr bewusst für dieses Plakat genau an diesem Ort entschieden, auch wenn es eventuell Kritik hervorruft und auch der Vorwurf der Vereinnahmung legitim ist«, sagte sie der Jüdischen Allgemeinen.

»Der Vergleich ist geschichtsvergessen und ein wenig geschmacklos.«

Tahera Ameer vom Vorstand der Amadeu Antonio Stiftung

Seit mehreren Jahren liege das Scheunenviertel mit all seinen Gedenkorten und Denkmälern, darunter der Alte Jüdischer Friedhof, die Große Hamburger Straße und die Blindenwerkstatt Rosenthaler Straße, immer wieder auf den Routen antisemitischer und rechtsextremer Aufmärsche. »Eine vielfältige Zivilgesellschaft« zu der auch die Omas gegen Rechts und SPD-Mitglieder gehörten, hielten regelmäßig dagegen und versuchten »mit Gegenkundgebungen die Würde der Opfer des Nationalsozialismus zu schützen.«

»VOLKSVERRÄTER« Konkret geht es um Demonstrationen der »Freien Geister«, einer Gruppe, die in ihrem Telegram-Kanal Material verbreitet, wie es aus Coronaleugner-Kreisen bekannt ist. Auch pro-russische Kommentare in Hinblick auf Moskaus Eroberungskrieg gegen die Ukraine tauchen dort auf. Demokratische Parteien werden im Nazi-Jargon als »Volksverräter« bezeichnet.

»Uns war es wichtig den Ort zu besetzen und auch symbolisch deutlich zu machen, dass wir antisemitische und rechtsextreme Aufmärsche an historisch sensiblen Orten nicht hinnehmen möchten«, so Kerstin Spriesterbach. Unlängst hätten sie und der Ortsverein zwei Demos veranstaltet »gegen die Freien Geister«, die sogar am 9. November durch das Scheunenviertel marschiert seien.

»Wenn aus der jüdischen Community ganz große Beschwerden kommen sollten, dann müssten wir die Sache nochmal ortsvereins-intern thematisieren.«

Kerstin Spriesterbach vom SPD-Ortsverein Alexanderplatz

Kerstin Spriesterbach zufolge fallen die Reaktionen auf das Plakat verschieden aus. Es gebe einerseits positives Feedback. »Andererseits haben wir einen sehr üblen Shitstorm abbekommen, von Nazis und anderen merkwürdigen Hassern.«

Die sozialdemokratische Wahlkämpferin machte im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen klar, dass sie zu einem Austausch bereit sei. »Wenn aus der jüdischen Community ganz große Beschwerden kommen sollten, dann müssten wir die Sache nochmal ortsvereins-intern thematisieren«, sagte Kerstin Spriesterbach. In der Sache, also der Notwendigkeit, den Antisemitismus entschieden zu bekämpfen, sind sich die Jusos und die jüdische Gemeinschaft einig.

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Karlsruhe/München

Mutmaßlicher Huthi-Terrorist angeklagt

Ein Mann soll für die Terrororganisation im Jemen gekämpft haben. Deutschlands oberste Anklagebehörde will ihn vor Gericht sehen

 04.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Berlin

Verfassungsschutz nimmt neue AfD-Jugend ins Blickfeld

Ist auch die »Generation Deutschland« rechtsextremistisch? Sie rückt bereits in den Fokus des Bundesamts für Verfassungsschutz

 04.12.2025

Berlin

Merz und Wegner nennen Lübcke-Statue geschmacklos

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußerte Unmut: Das Schicksal eines von einem Rechtsradikalen ermordeten Politiker zu instrumentalisieren, sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten

 04.12.2025

Bayern

Landtag wirbt für Yad Vashem-Außenstelle in München

Ein fraktionsübergreifenden Antrag – ohne Beteiligung der AfD - für eine Außenstelle der israelischen Gedenkstätte im Freistaat liegt vor

 04.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  04.12.2025

Graz

Verharmlosung von NS-Verbrechen: Haft für Deutschen in Österreich

Lange Haftstrafe für einen Publizisten: Was steckt hinter dem Urteil, und wie stufen Extremismusforscher seine bereits eingestellte Zeitschrift ein?

 04.12.2025