Nahost

Befehl aus Teheran

Mitglied der palästinensischen Terrororganisation »Islamischer Dschihad« (Symbolbild) Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

In Deutschland herrscht seit Februar Kriegsangst. 1000 Kilometer entfernt ist Russland in die Ukraine eingefallen. Das berührt die Menschen mehr als der syrische »Bürgerkrieg«, bei dem eine halbe Million Menschen umgebracht wurden. Syrien ist weit. Die Ukraine aber ist relativ nah. Und Kremlherrscher Putin hat mit dem Einsatz von Kernwaffen gedroht.

Deutschland, das sich in die NATO- und EU-Boykott-Phalanx einreihte, wird seither von Moskau mit Gas-Kürzungen erpresst. Da lässt das Interesse für Kriege und Krisen um Israel nach. Das europäische Hemd ist näher als die nahöstliche Jacke. Auch wenn Angela Merkel einst Israels Sicherheit als deutsches Staatsinteresse definierte und Bundeskanzler Scholz diese Aussage kürzlich in Jerusalem bestätigte.

statement Das ist ein klares Statement, das auf dem Gefühl der historischen Verantwortung ruht. Die »German Angst« infolge der russischen Invasion aber betrifft Deutschlands Bürger unmittelbar. Hinzu kommen Inflation, Energieknappheit, Corona-Sorgen. Daher wird die jüngste Nahost-Krise relativ wenig beachtet.

In den deutschen Medien wird zumeist knapp über den »wiederholten Gewaltausbruch« um den Gazastreifen berichtet. Der Tenor: Nach der gezielten Tötung eines Kommandeurs des Islamischen Dschihad (PIJ) durch die israelische Armee habe der PIJ mit dem Raketenbeschuss israelischen Gebiets geantwortet.

Darauf wiederum habe Zions Luftwaffe mit Bombardierungen des Gaza-Territoriums reagiert. Dabei seien mehr als 40 Menschen, darunter Kinder, getötet worden. Die »taz« erklärte ihren Lesern das Verhalten Jerusalems mit dem in Israel herrschenden Wahlkampf. Der liberale Premierminister Yair Lapid habe mit dem Bombardement beweisen wollen, dass auch er ein harter Vertreter der israelischen Sicherheitsinteressen sei.

sichtweise Diese Sichtweise ist oberflächlich. Das machte Israels designierter Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, in einem Tweet an die »taz« deutlich: »Ihr habt keine Ahnung, was es bedeutet, Dschihadisten als Nachbarn zu haben. Ich hoffe, dass ihr dies nie erfahren werdet. Dass sich demokratische Staaten gegen Dschihadisten wehren, ist kein Wahlkampf … es ist Pflicht.«

Es lohnt sich, den Hintergrund der jüngsten Gaza-Krise eingehend zu betrachten, um das Geschehen richtig einzuordnen.

Es lohnt sich, den Hintergrund der jüngsten Gaza-Krise eingehend zu betrachten, um das Geschehen richtig einzuordnen. 2005 zog sich Israel ohne Abkommen aus dem Gazastreifen zurück und räumte sämtliche jüdischen Siedlungen. Jerusalem wollte Frieden. Zwei Jahre später eroberte die islamistische Terrororganisation Hamas in dem Gebiet die Herrschaft und begann einen permanenten Krieg mit allen Waffen und Mitteln, einschließlich Geiselnahmen, Raketenbeschuss, Anschlägen gegen Israel et cetera.

Die Hamas macht aus ihrem antisemitischen Hass kein Geheimnis. Ihr Ziel ist die Zerstörung des »zionistischen Gebildes« Israel, egal, in welchen Grenzen. Der jüdische Staat insgesamt ist nach ihrem Verständnis illegal und muss daher vernichtet werden. Damit liegt sie auf einer Linie mit ihrem größten strategischen Verbündeten und Waffenlieferanten, Iran. Stets aufs Neue startet die Hamas massenhafte Raketenangriffe gegen Israels Städte und wird dafür von Jerusalem zur Rechenschaft gezogen.

selbstverteidigung Die Hamas regiert mit Unterstützung der Bewohner Gazas. Sie trägt gegenüber den eigenen Bürgern Verantwortung. Daher gibt Hamas vor, nur gegen die »jüdische« Armee und Siedler vorzugehen, selbst mit Raketen. Diese Rücksicht kennt der Islamische Dschihad nicht. Die Terrorgruppe versucht, Juden mit allen Mitteln, bei jeder Gelegenheit, umzubringen. Als deren Befehlshaber zuletzt ihre Aktivitäten verstärkten, nahm Israel sein Recht zur Selbstverteidigung wahr und tötete die Gewaltantreiber.

Dieses Verständnis der politisch-militärischen Situation wird auch von Deutschland geteilt. »Israel hat wie jeder andere Staat das Recht auf Selbstverteidigung«, betonte Berlins neuer Botschafter in Israel, Steffen Seibert. »In vielen israelischen Städten eilen die Menschen in die Schutzräume. Deutschland verurteilt streng die Angriffe des Islamischen Dschihad«, fuhr der Diplomat fort.

Bemerkenswert ist, dass selbst die Hamas den PIJ-Terroristen nicht beisprang. Denn bei aller Feindschaft möchte sich die Hamas im Moment von Teheran nicht in einen Krieg mit Israel treiben lassen. Womit wir beim Verursacher der jüngsten Gewalthandlungen wären.

sicherheitsrat Um den Druck in den Atomwaffen-Verhinderungs-Verhandlungen mit den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern plus Deutschland zu erhöhen, versucht Iran seit Längerem, die Hamas und die Hisbollah zu einem Krieg mit Jerusalem zu pressen. Die Islamisten möchten dies prinzipiell auch. Doch da sie wissen, dass Israel, ganz gleich, unter welcher Regierung, hart antworten würde, halten sie gegenwärtig still. Der Islamische Dschihad dagegen greift gemäß Irans Direktive Israel an.

Das Kriegsgeschehen berührt auch Deutschland. Soeben hat sich Putin in Teheran mit den Mullahs abgestimmt. Globale Politik lässt sich nicht begrenzen. Sie bildet eine Einheit von der Ukraine über Gaza bis nach Taiwan. Es geht um Freiheit gegen Gewaltherrschaft.

Der Autor ist Politologe, Schriftsteller und Journalist. Zuletzt erschien sein Roman »Rafi, Judenbub« bei LangenMüller.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025