Apartheid-Vergleich

Austritt wegen Gabriel

Sein Apartheid-Vergleich sorgt für Unmut: SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel Foto: imago

Wegen der viel kritisierten Apartheid-Äußerungen des SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel gab es inzwischen den ersten Parteiaustritt eines jüdischen Sozialdemokraten. Samuel Ahren, Basismitglied in Köln und ehemals stellvertretender Bezirksvorsitzender der Jusos, begründete diesen Schritt in einem Offenen Brief mit dem Facebook-Posting Gabriels.

Dort hatte der SPD-Chef geschrieben: »Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt.«

Empörung Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen zeigte sich Ahren empört: »Ich finde die Äußerungen ein starkes Stück.« Den letzten Ausschlag zu seinem Austritt hätten die Reaktionen Gabriels auf die Kritik gegeben, in denen dieser »inhaltlich nichts« zurücknehme.

Ahren war nach eigenen Angaben 17 Jahre SPD-Mitglied und zuletzt vor allem integrationspolitisch aktiv. Der 35-jährige Onlinemarketing-Manager äußerte die Befürchtung, Gabriels Äußerung könne, ähnlich wie seinerzeit bei Jürgen W. Möllemann, der bewusste Versuch sein, Wählerstimmen durch das Schüren antisemitischer Ressentiments zu bekommen.

Viele Parteigenossen in Köln seien entsetzt über seinen Austritt gewesen, berichtete Ahren, er habe aber auch viele zustimmende Reaktionen erhalten.

Sarrazin Der Austritt Ahrens erinnert an den Fall Sergey Lagodinsky. Der Rechtsanwalt und Publizist war vor knapp einem Jahr wegen der Einstellung des Parteiauschlussverfahrens gegen Thilo Sarrazin aus der SPD ausgetreten. Kurze Zeit später ging Lagodinsky, der den Arbeitskreis Jüdischer Sozialdemokraten 2007 mitgegründet hatte, zu den Grünen.

Ahren erklärte, auch er habe bereits im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Sarrazin-Debatte seinen Austritt erwogen. Nun aber sei das Maß voll gewesen.

Ilia Choukhlov, einer der beiden aktuellen Bundessprecher des Arbeitskreises Jüdischer Sozialdemokraten, drückte sein Bedauern über Ahrens Austritt aus: »Das ist schade.« Er könne die Beweggründe nachvollziehen. Auch er halte die Aussagen Gabriels für falsch, die Verwendung des Begriffs »Apartheid« im Zusammenhang mit Israel sei inakzeptabel.

Kritik Mit der antisemitischen Kampagne Möllemanns könne man die Äußerungen zwar nicht vergleichen, dennoch verstehe auch er, dass derzeit »viele Leute das Gefühl« hätten, »in der falschen Partei« zu sein.

Er sei aber weiterhin überzeugt, dass man innerhalb der Partei durch Diskussionen und Aufklärung mehr erreichen könne als von außen, betonte Choukhlov. Mit diesem Argument habe er in den letzten Tagen auch mehrere Genossen überzeugt, nicht auszutreten.

Der Nürnberger Sozialdemokrat kündigte für die nächsten Tage einen Brief seines Arbeitskreises an Gabriel an. Die Vereinigung strebe ein Treffen mit dem SPD-Chef an, um ihm die Kritik an seinen Äußerungen persönlich zu erläutern.

Gregor Wettberg, Sprecher der Berliner Regionalgruppe des Arbeitskreises, äußerte sich ähnlich wie Choukhlov. Er habe kein »Verständnis für den Versuch eines Vergleichs« zwischen der israelischen Politik und der des südafrikanischen Apartheid-Regimes. Man könne seine berechtigte Kritik am Verhalten israelischer Siedler auch anders ausdrücken als mit »historisch nicht haltbaren« Analogien.

Die Austritte von Ahren und Lagodinsky sieht Wettberg allerdings kritisch. Er verstehe nicht, warum man bei inhaltlichen Differenzen »immer gleich aus der Partei wegrennen« müsse. Gabriel oder Sarrazin stünden nicht für die gesamte Partei. Zwar seien Gabriels Äußerungen indiskutabel, doch diesen Streit müsse man eben ausfechten. »Sonst sollte man gar nicht erst in eine Partei eintreten«, sagte der Berliner Jurist.

München

Uschi Glas: Christen müssen jüdische Mitbürger schützen

Uschi Glas mahnt Christen zum Schutz von Juden. Sie warnt vor neuer Ausgrenzung und erinnert an eigene Erfahrungen nach dem Krieg. Was sie besonders bewegt und warum sie sich Charlotte Knobloch verbunden fühlt

von Hannah Krewer  27.11.2025

Entscheidung

Uni Jena lehnt Prüfung von Kontakten mit israelischen Hochschulen ab

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena wird Kooperationen mit israelischen Hochschulen nicht auf mögliche Verbindungen zum Militär überprüfen. Der Senat lehnte einen entsprechenden Antrag von Teilen der Professorenschaft ab

 27.11.2025

Berlin

Der falsche Konsens

Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach stellt im Bundestag eine Studie und aktuelle Erkenntnisse zum angeblichen Genozid im Gazastreifen vor – und beklagt eine einseitige Positionierung von UN-Organisationen, Wissenschaft und Medien

 27.11.2025

Berlin

Prozess um Angriff am Holocaust-Mahnmal: »Tat zugegeben«

Polizisten berichten von der Begegnung mit dem Angeklagten wenige Stunden nach der Tat

 27.11.2025

Debatte um Hamas-Nähe

Mitglieder des ZDF-Kontrollgremiums fordern Konsequenzen

Nachdem ein mutmaßlicher Terrorist über eine Partnerfirma an Produktionen des öffentlich-rechtlichen Senders mitgewirkt hat, soll der Fall nun parlamentarisch aufgearbeitet werden

 27.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  27.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Urteil

Verbot des Berliner Palästina-Kongresses war rechtswidrig

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot eines Palästina-Kongresses nachträglich für rechtswidrig erklärt

 26.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025