Meinung

Antisemiten sind immer die anderen

Jens Spahn ist CDU-Politiker, und er ist schwul. Beides ist völlig okay. Spahn empört sich, dass auf deutschen Straßen wieder Slogans wie »Juden ins Gas!« gerufen werden. Diese Empörung ist ehrenwert, aber Spahns Begründung macht stutzig. »Wir haben auch Antisemitismus importiert«, nannte er als

Erklärung, woher der Judenhass kommt. »Zuwanderung aus islamischen Ländern verändert in Teilen das Klima in unserem Land.«

Richtig an Spahns Erklärung ist, dass es Antisemitismus bei Jugendlichen, die arabische oder türkische Wurzeln haben, gibt – und zwar nicht zu knapp. Das soll und darf nicht bagatellisiert werden. Hinzuzufügen ist aber: Der Antisemitismus der anderen soll und darf auch nicht bagatellisiert werden. Wem als Erklärung dafür, dass in Deutschland Judenhass wieder salonfähig wird, nur die Einwanderung einfällt, dem mag man auch dann nicht über den Weg trauen, wenn er ein ehrenwertes Anliegen hat.

Homophobie Erklären wir es Herrn Spahn an einem anderen Beispiel. Er sagt: »Wenn ich mit meinem Freund durch Berlin gehe, muss ich mir auf einmal wieder dumme Sprüche anhören, weil ich schwul bin.« Auch die ihm und seinem Freund entgegenschlagende Homophobie erklärt Spahn mit Zuwanderung.

Dabei müsste er sich nur in seiner Partei umhören, wenn da ein Bürgermeister die Wiedereinführung des Paragrafen 175 fordert, wenn ein Stadtrat Homosexualität als »Krankheit« bezeichnet, oder wenn gleich eine ganze Reihe von CDU-Politikern in einem Verein aktiv sind, aus dem heraus Seminare zur »Heilung« von Schwulen und Lesben angeboten werden.

Homophobie gibt es eben nicht nur bei Menschen, für die der unschöne Ausdruck Migrationshintergrund erfunden wurde, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft. Nicht anders verhält es sich mit dem Antisemitismus, den es nicht etwa nur in den Kreisen von Zuwanderern aus islamischen Ländern gibt, sondern überall, also sowohl in deren als auch in anderen Milieus.

Wer bestimmte Antisemiten, seien sie links oder rechts, inländisch oder ausländisch, von der nötigen Kritik verschonen möchte, setzt sich der Kritik aus, den Antisemitismusvorwurf instrumentalisieren zu wollen. Und wer diese Instrumentalisierung sogar so weit treibt, dass er Antisemitismus zum importierten Phänomen erklärt, das ohne Zuwanderer in Deutschland nie eine Chance gehabt hätte, hat, bleiben wir höflich, von Geschichte sehr wenig Ahnung.

Deutschland

Rechtsextremismus beunruhigt Deutsche stärker als Zuwanderer

Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu, während die Angst vor Rechtsextremismus bei Deutschen ohne Migrationshintergrund besonders hoch ist. Was verrät die neue KAS-Studie noch?

 09.12.2025

Medien

Äußerst ungewöhnlicher Schritt: Irans Staatssender gesteht Fehler bei Kriegsberichterstattung ein

Nach dem Krieg gegen Israel gesteht der Präsident des iranischen Staatssenders eine Falschmeldung ein. Die Hintergründe

 09.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 09.12.2025

Naher Osten

Bericht: Keine Rolle für Tony Blair bei Gaza-Friedensrat

Anstelle Blairs ist der bulgarische Diplomat und ehemalige Nahostgesandte Nickolay Mladenov im Gespräch, wie die »Financial Times« vermeldete

 09.12.2025

Frankfurt am Main

Lufthansa Cargo stoppt Militärtransporte nach Israel

Während die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem eine Annäherung erleben, ist dies im Luftfahrt-Bereich nicht der Fall. Warum?

 08.12.2025

Berlin

Presseschau zum Israel-Besuch von Kanzler Friedrich Merz

Wie bewerten deutsche Leit- und Regionalmedien Merz‘ Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu?

 08.12.2025

Toronto

Miriam Mattova aus Uber geworfen, weil sie Jüdin ist

»Was passiert ist, ist nicht nur ein unangenehmer Moment. Es ist eine Erinnerung daran, warum es wichtig ist, sich zu äußern«, sagt das Model

 08.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Jerusalem

Ein neuer Sound?

Unterwegs mit Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Antrittsreise in Israel

von Philipp Peyman Engel  07.12.2025