Bundesanwaltschaft

80 Prozent Altnazis

Eingangsschild des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof Karlsruhe Foto: dpa

Die Bundesanwaltschaft war in ihren Anfangsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg von Juristen mit NS-Vergangenheit durchsetzt. 1953 seien 22 der 28 Mitarbeiter des höheren Dienstes ehemalige NSDAP-Mitglieder gewesen, sagte der Rechtswissenschaftler Christoph Safferling am Dienstag in Karlsruhe, dem Sitz der Behörde. Das entspreche einem Anteil von rund 80 Prozent.

Die Zahlen stammen aus einem Forschungsprojekt im Auftrag von Generalbundesanwalt Peter Frank, das seit Ende 2017 läuft. Das Anfangspersonal der Staatsanwaltschaft des Bundes bestand demnach aus dem Oberreichsanwalt, zwei Bundesanwälten und zwei Mitarbeitern. Drei dieser fünf waren in der NSDAP, die anderen beiden waren Staatsanwälte im nationalsozialistischen Justizdienst. Die kompletten Ergebnisse sollen bis Ende des Jahres vorliegen. Der Abschlussbericht der Wissenschaftler ist voraussichtlich Mitte 2020 zu erwarten.

BIOGRAFIEN Über den gesamten Untersuchungszeitraum von 1950 bis 1974 betrachtet waren nach jetzigem Stand der Untersuchungen etwa die Hälfte der leitenden Mitarbeiter ehemalige NSDAP-Mitglieder. Das sei natürlich eine formale Belastung, sagte Safferling am Rande eines Symposiums am Bundesgerichtshof (BGH) zur Bundesanwaltschaft und der NS-Zeit. Nicht jede Parteimitgliedschaft bedeute aber gleich eine schwere Belastung. Man müsse sich jede einzelne Biografie genau anschauen.

Eine besondere Rolle spielt dabei die Person Wolfgang Fränkels. Dieser wurde 1962 für einige Monate Generalbundesanwalt, obwohl er im Nationalsozialismus als Hilfsarbeiter der Reichsanwaltschaft in etlichen Fällen die Umwandlung von Haftstrafen in Todesurteile zu verantworten hatte. Vorher war er seit 1951 Bundesanwalt.

Ex-Generalbundesanwalt Fränkel hatte in etlichen Fällen die Umwandlung von Haftstrafen in Todesurteile zu verantworten.

Generalbundesanwalt Frank betonte die Bedeutung des Projekts. Gerade in der heutigen Zeit sei das Thema wichtig. Um zu ergründen, warum Personen in einer bestimmten Weise gehandelt hätten, sei es unerlässlich, sich auch die Entwicklung des Staatsschutzstrafrechts anzuschauen. »Juristen - auch furchtbare Juristen - stützen sich in aller Regel auf formelle Rechtsvorschriften«, sagte Frank.

TODESURTEILE Im NS-Staat hatte die Reichsanwaltschaft als Vorgängerbehörde der Bundesanwaltschaft die Möglichkeit, gegen rechtskräftige Strafurteile die sogenannte Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Frank sprach von einem »schlagkräftigen Instrument der NS-Unrechtsjustiz«, um Urteile im Sinne der NS-Ideologie zu verschärfen. Fränkel habe das Instrument häufig genutzt, um ein härteres Urteil oder gleich die Todesstrafe zu beantragen. In anderen Fällen habe er es Verurteilten verweigert, zu ihren Gunsten Nichtigkeitsbeschwerde einzulegen.

Frank sagte, er erhoffe sich von der Forschungsarbeit auch Erkenntnisse dazu, wie Fränkel sich vor seiner Ernennung zum Behördenleiter in seiner Rolle als Bundesanwalt verhielt. »Man kann vermuten, dass er sich unauffällig in das System des bundesrepublikanischen Staatsschutzstrafrechts einfügte.«

Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe wird von dem Juristen Safferling und dem Historiker Friedrich Kießling geleitet. Die Wissenschaftler werten Personalakten, Verfahrensakten und historische Gutachten aus. Ihre Forschungen knüpfen an ein Aufarbeitungsprojekt des Bundesjustizministeriums (»Die Akte Rosenburg«) an, das 2016 abgeschlossen wurde.

Dabei war herausgekommen, dass in der Nachkriegszeit mehr als die Hälfte der Führungskräfte ehemalige NSDAP-Mitglieder waren. Jeder Fünfte war SA-Mann gewesen, 16 Prozent kamen aus dem früheren Reichsjustizministerium. Untersucht wurden damals 170 Personen für die Zeit von etwa 1949/50 bis 1973.

Berlin

Merz und Wegner nennen Lübcke-Statue geschmacklos

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußerte Unmut: Das Schicksal eines von einem Rechtsradikalen ermordeten Politiker zu instrumentalisieren, sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten

 04.12.2025

Bayern

Landtag wirbt für Yad Vashem-Außenstelle in München

Ein fraktionsübergreifenden Antrag – ohne Beteiligung der AfD - für eine Außenstelle der israelischen Gedenkstätte im Freistaat liegt vor

 04.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  04.12.2025

Kulturbetrieb

»Wie lange will das politische Deutschland noch zusehen?«

Der Bundestagskulturausschuss hörte Experten zum Thema Antisemitismus an. Uneins war man sich vor allem bei der Frage, wie weit die Kunstfreiheit geht

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Graz

Verharmlosung von NS-Verbrechen: Haft für Deutschen in Österreich

Lange Haftstrafe für einen Publizisten: Was steckt hinter dem Urteil, und wie stufen Extremismusforscher seine bereits eingestellte Zeitschrift ein?

 04.12.2025

Analyse

Der Kanzler in Israel: Antritt mit Spannung

Friedrich Merz besucht am Samstag Israel. Die Beziehungen beider Länder sind so strapaziert wie selten zuvor. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Reise des Bundeskanzlers

von Joshua Schultheis  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

USA

Netanjahu will trotz Mamdanis Warnung nach New York kommen

Der designierte Bürgermeister will Wege prüfen, den Haftbefehl des IStGH zu vollstrecken. Der israelische Regierungschef lässt sich davon nicht abschrecken

 04.12.2025

Verteidigung

Bundeswehr nimmt Raketenwehrsystem Arrow 3 in Betrieb

Deutschland baut als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland die Luftverteidigung aus und hat ein System in Israel beschafft. Es soll feindliche Flugkörper schon in größter Höhe zerstören können

von Carsten Hoffmann  03.12.2025