In Deutschland wird am Donnerstag an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren erinnert. Die Hälfte der Menschen hierzulande hält einer Umfrage zufolge das Erinnern an die Verbrechen der Nationalsozialisten für weiter angemessen. Gut jeder Fünfte (22 Prozent) fordert demnach ein größeres Ausmaß des Gedenkens. Etwa ebenso viele Menschen (23 Prozent) sind zugleich der Ansicht, dass in Deutschland zu viel an die NS-Verbrechen erinnert werde.
Fast zwei Drittel der Bundesbürger (64 Prozent) sind laut Umfrage in sehr großer oder großer Sorge vor einem großen Krieg in Europa. 34 Prozent äußerten in dem Zusammenhang wenig oder gar keine Sorgen. Im Juni 2014 benannten lediglich 29 Prozent diese Sorge. In der Umfrage von infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend waren 1.325 Wahlberechtigte repräsentativ gefragt worden.
Veranstaltungen in Berlin
Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges und damit auch das Ende der Schoa zum 80. Mal. Spitzenvertreter aus Politik und Gesellschaft versammeln sich dazu in Berlin. Den Auftakt der zentralen Gedenkveranstaltungen macht ein ökumenischer Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche um 10.00 Uhr.
Dort werden der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Kirsten Fehrs, sprechen. Erwartet dazu werden auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Der Gottesdienst wird im ZDF übertragen.
Um 12.30 Uhr findet im Bundestag eine Gedenkstunde statt. Nach Angaben aus dem Bundespräsidialamt will Steinmeier in einer etwa 25-minütigen Ansprache auch auf Rufe nach einem Schlussstrich unter die deutsche NS-Vergangenheit eingehen. Diese Forderungen werden unter anderem immer wieder aus den Reihen der unlängst vom Bundesamt für Verfassungsschutz als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuften AfD erhoben. Das Erste überträgt die Veranstaltung im Bundestag.
Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa. Das mit Deutschland verbündete Japan kapitulierte am 15. August, nachdem die USA Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hatten. Insgesamt kamen im Laufe des von Deutschland entfesselten Krieges mehr als 60 Millionen Menschen ums Leben. Der Schoah fielen rund sechs Millionen Juden zum Opfer. In Berlin ist der 8. Mai einmalig ein Feiertag.
Warnung vor neuem Antisemitismus
Die Kirchen hatten den 8. Mai 1945 als »Tag der Befreiung und des Aufbruchs in eine neue, bessere Zeit« bezeichnet. Ähnlich äußerte sich am Donnerstag auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Präsidentin Irme Stetter-Karp: »Unsere freie, demokratische Gesellschaft ist bedroht. Zudem zeigen uns die andauernden Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten, im Sudan sowie der eskalierende Konflikt in Kaschmir, wie gefährdet die europäische und die weltweite Friedensordnung sind.« Für das ZdK sei es eine zentrale Aufgabe, seinen Beitrag zur Wahrung von Frieden und Freiheit zu leisten.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte der »Süddeutschen Zeitung«, es gebe eine lebendige Erinnerungskultur, auch wenn nicht überall einheitlich gut verankert. »Für die Schlussstrich-Mentalität habe ich kein Verständnis.« Wenn 15 Prozent der jungen Menschen in Deutschland heute glaubten, in der Schoah seien nicht sechs, sondern zwei Millionen Jüdinnen und Juden ermordet worden, seien die Schulen gefordert. »Aber auch die Gesellschaft insgesamt.«
Der israelische Botschafter Ron Prosor sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, Deutschland könne stolz sein auf seine Erinnerungskultur. Er prangerte zugleich aktuelle Formen von Antisemitismus an.