Rückblende

1982: Gründung der Literaturhandlung

Mehr als eine bloße Buchhändlerin: Rachel Salamander Foto: imago

Rückblende

1982: Gründung der Literaturhandlung

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 37

von Michael Brenner  16.07.2013 09:46 Uhr

Als die promovierte Germanistin Rachel Salamander 1982 eine Fachbuchhandlung für Literatur zum Judentum in München gründete, gab es noch keine jüdischen Museen und keine jüdischen Kulturtage. Das öffentliche Interesse an jüdischer Kultur war noch sehr überschaubar. Dass dieses sich in den vergangenen drei Jahrzehnten so gewaltig entwickelte, ist nicht zuletzt der im DP-Lager Föhrenwald aufgewachsenen Rachel Salamander und ihrer »Literaturhandlung« zu verdanken.

Die Literaturhandlung ist nicht einfach ein Buchgeschäft, sondern eine Institution. Hier erhielten diejenigen, deren Stimmen lange Zeit nicht mehr zu hören waren, wieder ein Publikum. »Die Literaturhandlung hatte von Anfang an die Aufgabe, die Verbrannten, Ermordeten, Verjagten in Form ihrer Schriften, ihrer Worte wiedereinzubürgern«, sagte Rachel Salamander anlässlich des 25-jährigen Bestehens ihrer Buchhandlung. Die letzten Vertreter der zerstörten deutsch-jüdischen Vorkriegskultur waren alle hier zu Gast: Hans Jonas ebenso wie Hans Mayer, Hilde Domin wie Marcel Reich-Ranicki.

Generation Doch Rachel Salamander lud nicht nur die großen etablierten Namen ein, sondern trug auch dazu bei, dass in den 80er-Jahren eine neue junge Generation deutsch schreibender Juden heranwuchs. Von Robert Schindel bis Maxim Biller, von Barbara Honigmann bis Peter Stephan Jungk – der Weg dieser Nachkriegsgeneration führte über die Fürstenstraße in München und ihre Filialen in Berlin, Wien und anderen Städten. Heute ist die Literaturhandlung auch in einer Reihe jüdischer Museen präsent.

Als langjährige Herausgeberin der »Literarischen Welt« hat sich Rachel Salamander nie in ein kulturelles Ghetto zwängen lassen und erhielt auch dementsprechende Anerkennung, so etwa den Kulturellen Ehrenpreis der Stadt München und den Schillerpreis der Stadt Marbach. Die Literaturhandlung war von Anfang an ein Forum für aktuelle Diskussionen nicht nur zur Literatur, sondern auch zur Geschichte und Philosophie. Man diskutiert hier mit Daniel Goldhagen und mit Saul Friedländer, mit Dan Diner und mit Jürgen Habermas. Man trifft hier die israelische Literatur von Amos Oz bis Etgar Keret.

Die Gründung der Literaturhandlung bewies, dass nach der Schoa zumindest einige Juden in Deutschland, auch wenn ihre Wurzeln, wie diejenigen Rachel Salamanders, in Osteuropa lagen, das deutsch-jüdische Erbe nicht in Vergessenheit geraten ließen. Die Nachkriegsstimmen in der deutsch-jüdischen Literatur sind nach eigenem Bekunden oftmals »Fremde im eigenen Land«. Mit der Literaturhandlung haben sie eine Heimat in der Fremde gefunden.

Interview

»Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann über die Bedrohungslage für Juden nach dem Massaker von Sydney und die potenziellen Auswirkungen extremer Israel-Kritik

von Michael Thaidigsmann  16.12.2025

Wirtschaft

Hightech-Land Israel: Reiche sieht Potenzial für Kooperation

Deutschland hat eine starke Industrie, Israel viele junge Start-ups. Wie lassen sich beide Seiten noch besser zusammenbringen? Darum geht es bei der Reise der Bundeswirtschaftsministerin

 16.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

IS-Gruppen

Attentäter von Sydney sollen auf den Philippinen trainiert worden sein

Die Hintergründe

 16.12.2025

Hamburg

Mutmaßlicher Entführer: Mussten im Block-Hotel nichts zahlen

Der israelische Chef einer Sicherheitsfirma, der die Entführung der Block-Kinder organisiert haben soll, sagt im Gericht aus. Die Richterin will wissen: Wer zahlte für die Unterbringung im Luxushotel der Familie?

 16.12.2025

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Anschlag geplant? 21-Jähriger reiste legal ein

Mit einem Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem in Vorbereitungshaft genommenen Mann werden Details bekannt

 16.12.2025

Sydney

Jüdisches Ehepaar stirbt beim Versuch, einen der Angreifer zu stoppen

Boris und Sofia Gurman versuchten, das Massaker vom Bondi Beach zu verhindern, und bezahlten dafür mit ihrem Leben

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025