Eugen El

Worin sich Juden und Muslime einig sind

Rosenmontagszüge waren nie Orte der feinen Nuancen: Die Mottowagen interpretieren die (welt-)politische Lage seit jeher in grob geschnitzter, karikaturistischer – und neuerdings auch in offen antisemitischer Manier. Ein dem sogenannten Nahostkonflikt gewidmeter Wagen des Künstlers Jacques Tilly auf dem diesjährigen Rosenmontagsumzug in Düsseldorf zeigte einen weißhaarigen, bärtigen alten Mann, dessen weißes Oberteil mit »Gott (welcher auch immer)« beschriftet ist.

Mit Zeigefinger und Daumen seiner rechten Hand hält er eine bärtige männliche Figur am Ohr fest, deren Umhang mit »Palästinenser« beschriftet ist und die Flagge der palästinensischen Autonomiegebiete zeigt. Mit seiner Linken hat sich »Gott« eine offensichtlich Benjamin Netanjahu nachgeahmte Figur gekrallt, deren Brust die israelische Flagge und die Aufschrift »Juden« trägt. »Und jetzt sucht endlich eine politische Lösung!« liest man noch auf den Ärmeln der »Gott«-Figur, bevor einem ganz viele Fragen in den Sinn kommen.

Netanjahu als Chef der Juden

Ihr Ernst, Herr Tilly – »Juden«? Netanjahu, der Chef der Juden – des Weltjudentums vielleicht? Weil Juden und Israel doch irgendwie eins sind, weil sie unter einer Decke stecken, ja? Dass in Israel Millionen Christen, Muslime, Drusen und Atheisten leben, die den Staat ebenso tragen wie die jüdischen Israelis, erfährt man in den meisten deutschen Medien nicht – fair enough!

Und wirklich, Herr Tilly – »Palästinenser« mit unrasiertem Bart, als pures rassistisches Klischee? Diese ungepflegten, ungezogenen »Palästinenser« und die notorischen, nicht einmal im Nahen Osten Ruhe gebenden »Juden«, denkt sich der Rosenmontagsumzugsbesucher. Hamas, Islamischer Dschihad, Iran, Geiseln – alles viel zu komplex für die fünfte Jahreszeit! Man wird doch wohl noch lachen dürfen!

Und wenn wir schon dabei sind, Herr Tilly: »Gott« stellt man nicht als alten weißen Mann dar. Eigentlich macht man sich gar kein Bild von ihm – darin sind sich Juden und Muslime wirklich einig.

Der Autor ist Publizist und lebt in Frankfurt

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  20.11.2025

Kino

»Fast ein Wunder«

Das israelische Filmfestival »Seret« eröffnete in Berlin mit dem Kassenschlager »Cabaret Total« von Roy Assaf

von Ayala Goldmann  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

»Jay Kelly«

In seichten Gewässern

Die neue Netflix-Tragikomödie von Noah Baumbach startet fulminant, verliert sich dann aber in Sentimentalitäten und Klischees

von Patrick Heidmann  20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  20.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. November bis zum 27. November

 20.11.2025