Rabbiner Jehoschua Ahrens

Wehrdienst für Charedim – eine Frage der Fairness

Rabbiner Jehoschua Ahrens Foto: Markus Forte

Die israelische Regierung plant derzeit ein Gesetz, das die Wehrpflicht der streng religiösen Bevölkerung neu regeln soll. Dabei geht es vor allem um eine Absenkung des Freistellungsalters und eine Erhöhung der Rekrutierungsquote.

Obwohl Israels Oberstes Gericht festgehalten hat, dass eine allgemeine Wehrdienstbefreiung von charedischen Torastudenten verfassungswidrig ist, bleibt der Widerstand der ultraorthodoxen Parteien und Organisationen groß.

Eine gute religiöse Bildung ist im Judentum natürlich enorm wichtig. Ich habe volles Verständnis dafür, dass Zeit für eine hochwertige Jeschiwa-Ausbildung sein muss. Das darf aber nicht bedeuten, dass dafür ein Teil der Gesellschaft einen solch wichtigen und grundlegenden Beitrag zum Gemeinwohl wie den Wehrdienst nicht leistet. Das führt nur zur Spaltung der Gesellschaft.

SOLIDARITÄT Alle Einwohnerinnen und Einwohner Israels sind Teil des Staates und können daher nicht nur auf Rechte pochen und Unterstützung erwarten, sondern müssen auch ihren Teil zum Staatswesen beitragen und ihren Pflichten nachkommen. Das ist eine Frage der Fairness und der Solidarität.

Alle Einwohner Israels sind Teil des Staates und können daher nicht nur auf Rechte pochen und Unterstützung erwarten, sondern müssen auch ihren Teil zum Staatswesen beitragen.

Das neue Gesetz ist aber auch im Interesse der ultraorthodoxen Community selbst und kann eine große Chance sein, denn es erhöht die beruflichen Chancen von jungen Männern und bietet Wahlfreiheit zwischen Jeschiwa, Armee und Beruf – ohne Zwang.

Auch mit dem neuen Gesetz wird es weiterhin für viele begabte religiöse Männer problemlos möglich sein, weiter zu lernen, insbesondere, weil die geplanten Einberufungszahlen sehr moderat bleiben.

SCHMELZTIEGEL Zudem ist die Armee ein echter Schmelztiegel der israelischen Gesellschaft. Der Militärdienst hat damit das Potenzial, das jüdische Volk als Ganzes, als Klal Israel, zusammenzubringen und ein echtes Zugehörigkeitsgefühl zu schaffen – über alle Verschiedenheit hinweg.

Dabei helfen auch Einheiten wie das Nachal-Jehuda-Bataillon, die sich an den Bedürfnissen der ultraorthodoxen Rekruten orientieren und damit die Integration in die Armee vereinfachen.

Das neue Gesetz ist eine Chance und auch ein Zugeständnis der säkular geprägten Mehrheitsgesellschaft. Das sollte honoriert und als Kompromiss akzeptiert werden.

Der Autor ist Mitteleuropa-Direktor des Center for Jewish-Christian Understanding and Cooperation sowie Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).

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