Nathan Giwerzew

Warum es diesmal nichts zu feiern gibt

Nathan Giwerzew Foto: Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

Es ist Jom Haazmaut – Israels Unabhängigkeitstag. Normalerweise würden in diesem Moment Kampfjets der Israeli Air Force über Jerusalem hinwegdonnern. Symbole israelischer Militärmacht, die für den Nimbus der Unbesiegbarkeit stehen. Doch diesmal fällt der feierliche Überflug aus - wegen des 7. Oktobers.

Israel wähnte sich lange vor Angriffen sicher. Der Jom-Kippur-Krieg war vergessen, ein moderner Raketenschirm schützte das Land. Die Hightech-Grenzanlage zu Gaza schien unüberwindbar. Israelis siedelten im Westjordanland, während ihre Regierung die Herrschaft der Hamas in Gaza tolerierte.

Raketensalven beantwortete die Armee mit begrenzten Gegenschlägen. Niemand dachte im Ernst an eine Bodenoperation. Warnungen, wonach Terroristen der Hamas einen größeren Angriff vorbereiteten, schlugen Militärs und Geheimdienste in den Wind.

Dann überfielen am 7. Oktober Hamas-Terroristen die benachbarten Kibbuzim. Sie folterten, vergewaltigten, ermordeten über 1200 Menschen, nahmen 239 als Geiseln. Mit einem Schlag zerstörten sie den Status quo. Sie zwangen Israel in einen Krieg, von dem bis heute nicht klar ist, wann und wie er enden wird.

Fest steht: Premierminister Benjamin Netanjahu will nicht einmal einen demilitarisierten Palästinenserstaat, obwohl Israels Partner das fordern. Dauerhaft besetzen will er den Gazastreifen aber auch nicht.

Stattdessen errichtet die Armee eine »Sicherheitszone«, die Gaza in zwei Teile teilt. Realistisch betrachtet wird die Hamas dadurch weiter an der Macht bleiben. Und Israel wird immer wieder begrenzte Einsätze in Gaza durchführen müssen.

Jom Haazmaut ist eigentlich ein großer Feiertag. Er steht für das Wunder, dass sich das jüdische Volk nach Jahrhunderten der Verfolgung und nach den Schrecken der Schoa eine eigene Heimat aufbauen konnte. Aber zum Feiern ist mir diesmal nicht zumute.

Nathan Giwerzew ist Politikredakteur bei der Berliner Zeitung.

Meinung

Die Schweiz als Ausweichort: Ein Lehrstück über den Umgang mit kontroversen Positionen

Linke Intellektuelle verbreiteten auf einer Tagung anti-israelische Verschwörungstheorien. Die Veranstaltung zeigt, warum wir den offenen, präzisen Diskurs gegen jene verteidigen müssen, die Wissenschaftlichkeit als Tarnkappe missbrauchen

von Zsolt Balkanyi-Guery  12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Andrea Kiewel

Ein Weltwunder namens Regen

Jedes Jahr im Dezember versetzt der Regen die Menschen in Israel in Panik - dabei ist er so vorhersehbar wie Chanukka

von Andrea Kiewel  11.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Eurovision: Mobbing statt Musik

Eigentlich versteht jeder, dass Musiker nicht mit ihren Regierungen identisch sind. Wenn es um den jüdischen Staat geht, scheint diese Logik jedoch nicht zu gelten

von Sabine Brandes  07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Meinung

Zurück ins Mittelalter?

Die israelische Regierung will die Todesstrafe wieder einführen. Das ist geschichtsvergessen und verblendet

von Sophie Albers Ben Chamo  04.12.2025

Meinung

Wagenknechts Schiffbruch

Nur etwa zwei Jahre nach seiner Gründung steht das BSW vorm endgültigen Scheitern – eine gute Nachricht! Dennoch bleibt ein übler Nachgeschmack

von Ralf Balke  04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025