Alfred Jacoby

Striptease in ehemaliger Synagoge

Alfred Jacoby Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Alfred Jacoby

Striptease in ehemaliger Synagoge

Heilige Orte sollten nie ihre Würde verlieren. Es darf nicht sein, dass Sensationslust und Schamlosigkeit in Offenbach dazu führen, dass aus dem 1916 geweihten Haus eine Spielstätte wird

von Alfred Jacoby  17.11.2022 09:14 Uhr

Dass im Offenbacher »Capitol« wenige Tage nach den Gedenkveranstaltungen zum 9. November 1938 eine reißerisch umworbene Striptease-Veranstaltung stattfindet, ist für die Jüdische Gemeinde ein Affront. Der heute als Theater genutzte Rundbau war von 1916 bis 1938 die Synagoge der mehr als 1000 Mitglieder zählenden Liberalen Jüdischen Gemeinde. Sie wurde von den Nazis im Novemberpogrom im Innern geschändet und zerstört, aber nicht verbrannt. Zu nahe standen die Nachbarhäuser.

Nach dem Holocaust war an eine Wiederherstellung als Sakralgebäude nicht zu denken. Es dauerte bis 1956, bis die nur noch 80-köpfige Nachkriegsgemeinde gemeinsam mit dem Architekten Hermann Guttmann gegenüber der alten eine neue, viel kleinere Synagoge errichtete, ohne ihre Verbundenheit zum ursprünglichen Ort aufzugeben. Noch heute erinnert der nach dem letzten Gemeinderabbiner vor dem Krieg benannte Dienemann-Saal an die frühere Nutzung.

vorgeschichte Das geschichtsvergessene Vorgehen des jetzigen Betreibers deckt sich nicht mit dem Versprechen, das die Stadt der Gemeinde 1998 bei Eröffnung des Capitols gegeben hat: dieses Haus und seine Geschichte als Synagoge stets in Ehren zu halten, so wie es andere Kommunen, zum Beispiel Essen, aber auch die Kleinstadt Gelnhausen, mit ihren ehemaligen Synagogenbauten vorgemacht haben. Deren Veranstaltungen haben stets die Vorgeschichte des Ortes im Blick.

Das geschichtsvergessene Vorgehen des jetzigen Betreibers deckt sich nicht mit dem Versprechen, das die Stadt der Gemeinde 1998 bei Eröffnung des »Capitols« gegeben hat.

Heilige Orte sollten nie ihre Würde verlieren. Es darf deshalb nicht sein, dass in Offenbach Sensationslust und Schamlosigkeit dazu führen, dass aus diesem 1916 geweihten Haus eine verwerfliche Spielstätte wird, wie das schon einmal unter den Nazis der Fall war.

Denn nach dem Novemberpogrom war es bis Kriegsende ein kommunales Propagandakino. Filmaufführungen wie Jud Süß waren an der Tagesordnung. Heute dort Striptease-Darbietungen zu veranstalten, ist genauso skandalös. Nicht nur mit dem Betreiber, sondern auch mit den Verantwortlichen der Stadt sollte dringend gesprochen werden. Bevor das Haus zum Schandtempel verkommt.

Der Autor ist Ehrenvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Offenbach.

Meinung

Europa ist im Nahen Osten bedeutungsloser denn je

Während die USA unter Präsident Donald Trump keinen Zweifel darüber haben aufkommen lassen, wo es steht, hat Europa komplett versagt

von Daniel Neumann  13.10.2025

Meinung

Jetzt kann das Herz heilen

In ganz Israel erhebt sich an diesem historischen Tag die Erleichterung wie ein kollektiver tiefer Atemzug – teils Seufzer, teils Schluchzen, teils freudiger Gesang

von Sabine Brandes  13.10.2025

Meinung

Neues Semester, alter Antisemitismus?

Seit zwei Jahren sind deutsche Hochschulen keine sicheren Orte mehr für jüdische Studierende. Es wird viel Mühe kosten, diese Entwicklung zurückzudrehen

von Ron Dekel  13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

 12.10.2025

Kommentar

Deutschland braucht Israels Geheimdienste, Herr Wadephul

Der Außenminister behauptet in einem Interview, die Bundesregierung sei nicht auf Erkenntnisse israelischer Spionagedienste angewiesen. Mit dieser Falschaussage riskiert er das Leben vieler Menschen in Europa

von Remko Leemhuis  11.10.2025 Aktualisiert

Meinung

Warum die Netanjahu-Hasser die ganze Zeit falsch lagen

Wir sollten jenen danken, die eine Rückkehr der restlichen Hamas-Geiseln ermöglicht haben – egal wie unpopulär dies im Fall des israelischen Ministerpräsidenten sein mag

von Imanuel Marcus  10.10.2025

Meinung

Das peinliche Schweigen der Linkspartei zu Trumps Gazadeal

Die Reaktion der Linken auf das absehbare Ende des Kriegs ist ein Offenbarungseid. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Partei den Konflikt mehr braucht als den Frieden

von Jessica Ramczik  10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Meinung

Bleiben Sie hier, Frau Ministerin Prien!

Warum jetzt nicht die richtige Zeit ist, über »gepackte Koffer« zu reden – auch nicht für den Fall eines AfD-Bundeskanzlers

von Ayala Goldmann  09.10.2025