Meinung

Mutig wie Liri Albag

477 Tage lang hatte ich ein Bild von Liri Albag. Nach ihrer Misshandlung und Verschleppung durch Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023, als sie und ihre Einheit auf der Armeebasis Nahal Oz, wo Albag gerade mit dem Militärdienst begonnen hatte, überfallen wurden, sah ich sie jeden Tag. Auf den Postern des Familienforums, in Zeitungsartikeln, auf Social Media. Immer wieder begegnete ich dem Mädchen mit dem Baseballcap, das selbstbewusst die Kamera fixierte.

Zu dem Selfie kamen andere Bilder, deren Anblick mir schwerfällt. Liri gefesselt, offenbar geschlagen und mit ungläubigem Entsetzen im Gesicht. Liri stoisch in Gefangenschaft. Liri entkräftet im Geisel-Video. Das Mädchen mit der Baseballcap war das Foto meiner Wahl, so wollte ich sie sehen.

18 Jahre alt, voller Tatendrang, ein Leben vor sich, mit dem sie es gelassen aufnehmen würde. Ich schien irgendwie zu hoffen, dass diese junge Frau, die gerade noch ein Kind gewesen war, etwas davon behalten durfte – auch als misshandelte Geisel. Dass sie mit ebendiesem Bild weitermachen würde, wenn sie endlich nach Hause käme.

Seit dem 25. Januar ist Liri wieder zu Hause. Sie ist nun 19 Jahre alt. Sie hat 11.448 Stunden in der Gewalt von Verbrechern verbracht, die foltern, vergewaltigen und morden. Wir wissen, was am 7. Oktober passiert ist, und wir hören die Berichte freigelassener Geiseln. Ich hatte Angst um Liri, so wie ich um jede andere Geisel schreckliche Angst habe.

Ich hatte Angst um Liri, so wie ich um jede andere Geisel schreckliche Angst habe.

Als Liri und drei ihrer Kameradinnen freigelassen wurden, sah ich die widerliche Show der Hamas-Terroristen, die die Mädchen auf einer Bühne vor einer riesigen Propagandaplane, die den 7. Oktober verherrlichte (wo kommt die eigentlich her im völlig zerstörten Gaza?) vorzuführen versuchten. Was ihnen nicht gelang. Dann waren Liri, Daniella, Naama und Karina endlich in Freiheit, konnten ihre Familien umarmen und im Krankenhaus versorgt werden.

Allerdings sah Liri nicht mehr aus wie das Mädchen mit dem Baseballcap. Da war etwas anderes, dachte ich mir. Was das war, konnte ich bald lesen: »Hey Papa, deine Tochter Nummer eins ist wieder da!«, soll sie ihren Vater begrüßt haben. Ich erfuhr, dass sie, als Jüngste der vier, in Gefangenschaft die Führungsrolle übernommen und sich zwischen die anderen Mädchen und die Terroristen gestellt hatte. Dass sie mit ihren Peinigern auf Arabisch verhandelte.

»Hey Papa, deine Tochter Nummer eins ist wieder da!«, soll sie ihren Vater begrüßt haben.

Ich lernte, dass Liri Albag der Geisel Amit Soussana das Leben gerettet hat, dass sie sie vor noch mehr Gewalt und Missbrauch schützte. Ich sah, wie sie im Krankenhaus auf Agam Berger wartete, die eine Woche nach ihren Kameradinnen freigelassen wurde, und las, dass Liri sich geweigert hatte, ohne Agam Gaza zu verlassen, doch von den Hamas-Schergen überrumpelt wurde. 

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Ich habe mein Bild von dem Mädchen mit dem Baseballcap ersetzt. Es trägt jetzt Brille und einen blauen Hoodie mit einem dicken Smiley darauf. Diese junge Frau ist der Mensch, den wir gerade brauchen, in ihrer Entschlossenheit, ihrer Selbstlosigkeit, ihrer unbedingten Loyalität und ihrem unfassbaren Mut. Liri Albag ist ein Vorbild für uns alle auf der Suche nach einem neuen Bild unserer Selbst nach dem 7. Oktober.

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