Michael Fürst

Meldestellen sind nicht überall nötig

Michael Fürst Foto: Andreas Burmann

Hannover will eine Stelle einrichten, die antisemitische Vorfälle registriert. Das geschieht in bester Absicht, aber es ist unnötig. Wir brauchen eine solche Stelle schon deswegen nicht, weil sie sich nur um die 500.000-Einwohnerstadt Hannover kümmern würde, nicht aber um das Bundesland Niedersachsen. Wir brauchen sie auch nicht, weil dies in die Zuständigkeit eines Antisemitismusbeauftragten fallen wird, den auch das Land Niedersachsen bald erhalten wird.

Außerdem haben wir in Niedersachsen einen Rückgang der ohnehin geringen Zahl antisemitisch motivierter Straftaten um 25 Prozent. Hier gibt es tatsächlich nicht das, was so oft und so laut behauptet wird: einen anwachsenden Antisemitismus. Wenn ich meinen Gemeinden aber ständig eine hohe Gefahr vorgaukele, rufe ich unnötige Ängste hervor.

SELFFULFILLING PROPHECY Keine Frage, wir wissen, dass es diesen Hass gibt. Und wir wissen, wie gefährlich er werden kann. Aber gerade, wenn wir an seine Ursachen herangehen wollen, merken wir, dass solche Meldestellen nicht hilfreich sind. Zahlen über judenfeindliche Vorfälle entwickeln in den Medien eine Eigendynamik. Es wirkt mitunter eine Art Selffulfilling Prophecy: Wer besonders heftig vor Hass warnt, wird ihn vielleicht auch da erblicken, wo er gar nicht ist. Nicht wenige Stimmen glauben sogar, dass mit der Aufforderung, jeden gar nicht überprüfbaren Vorgang zu melden, eine »Blockwartmentalität« gefördert würde.

Zahlen über judenfeindliche
Vorfälle entwickeln in den Medien
eine Eigendynamik.

Wir wollen und müssen gegen Antisemitismus vorgehen. Gerade weil das so ist, dürfen wir uns nicht mit einer falschen Diagnose zufriedengeben. Von etwa 1000 jüdischen Kindern, die derzeit in Niedersachsen zur Schule gehen, ist keines gefährdet, weil es jüdisch ist. Ja, sogar wenn es zu ablehnenden Sprüchen kommt, kann es in vielen Fällen sein, dass die Urheber gar nicht wissen, was sie da erzählt haben. Es sind doch Kinder.

Wichtig ist doch, dass wir Kindern, Jugendlichen und auch der gesamten Gesellschaft vermitteln, dass es in diesem Land eine gemeinsame Verantwortung gibt: Antisemitismus und andere Formen des Hasses darf es nicht geben, wir sind alle zusammen verantwortlich, dass sich dieses Gemeinwesen auf eine gute Weise entwickelt. Eine Meldestelle der Landeshauptstadt Hannover braucht es dafür nicht.

Der Autor ist Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen.

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Meinung

Jason Stanley und der eigentliche Skandal

Ohne mit allen Beteiligten gesprochen zu haben und ohne zu wissen, was wirklich passiert ist, schrieb die deutsche Presse das Ende des jüdisch-liberalen Diskurses herbei. Dabei offenbart sich, wie leichtfüßig Stereotype gefüttert werden

von Daniel Neumann  14.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Sabine Brandes

Wie Donald Trump Israels Demokratie angreift

Der US-Präsident hat angekündigt, in den Korruptionsprozess gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eingreifen zu wollen. Damit geht der Amerikaner eindeutig zu weit

von Sabine Brandes  12.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Meinung

Wieder ein Blankoscheck für Palästina?

Europa will Gazas Wiederaufbau finanziell fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, Millionen an Hilfsgeldern würden etwas zum Besseren verändern, fragt unser Autor

von Jacques Abramowicz  10.11.2025 Aktualisiert

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025