Meinung

Mehr Juden in die Politik

Ronen Steinke Foto: Peter von Felbert

Meinung

Mehr Juden in die Politik

Wir feiern 75 Jahre Grundgesetz. Doch der Tag, an dem wieder ein jüdischer Ministerpräsident denkbar wird, so wie einst Kurt Eisner, liegt noch in der Zukunft

von Ronen Steinke  23.05.2024 09:19 Uhr

Berlin ist nicht Weimar. Ein Glück!, sagen da viele. Soll heißen: Unsere Demokratie ist, wenn auch bedroht und fragil, doch immerhin nicht so leicht entflammbar wie damals, vor 100 Jahren. Beim ersten Versuch einer deutschen Demokratie, der auf den Plüschsitzen des Weimarer Nationaltheaters begann – und dann in der Asche des verkohlten Berliner Reichstags endete. Mit zündelnden SA-Leuten auf den Fluren.

Berlin ist nicht Weimar. Ein Jammer!, kann man da aus jüdischer Perspektive allerdings hinzufügen. Denn immerhin: In der Weimarer Republik, also von 1918 bis 1933, spielten jüdische Deutsche eine große Rolle. So glänzend wie schillernd: der Reichsaußenminister Walther Rathenau. Parteiübergreifend respektiert: der Fraktionschef der Liberalen, Ludwig Haas. Unbeugsam und idealistisch: Hugo Haase, der Anführer der Linkssozialdemokraten.

»Weimar« bleibt immer noch der Höhepunkt der gesellschaftlichen und politischen Emanzipation der Juden

Vor 75 Jahren ist das Grundgesetz in Kraft getreten. Diese zweite deutsche Demokratie, die Bonn-Berlinerische Republik, währt jetzt schon fünfmal so lang wie die erste. Aber »Weimar« bleibt immer noch der Höhepunkt der gesellschaftlichen und politischen Emanzipation der Juden. Das, was damals erreicht wurde, ist nicht annähernd wieder erreicht worden. Das ist zu beklagen.

In 75 Jahren hat kaum ein Mensch aus der jüdischen Minderheit es mehr zu politischen Amtswürden gebracht. Die Hoffnung, dass der Graben zwischen Juden und Nichtjuden nach der Schoa überwunden sein würde, hat sich zumindest als naiv herausgestellt. Die jüdischen Deutschen, die am Grundgesetz mitschrieben, haben es für nötig gehalten, ihre jüdische Identität eher zu verstecken. Stramm konservativ: Walter Strauß, CDU. Leutselig und sozial: Rudolf Katz, SPD.

Der Tag, an dem wieder ein jüdischer Ministerpräsident denkbar wird, so wie einst der Bayer Kurt Eisner, liegt noch in der Zukunft. Hoffentlich ist es zum 100. Geburtstag des Grundgesetzes wieder so weit, dass diese Weimarer Emanzipationserrungenschaft zurückkehrt.

Der Autor ist rechtspolitischer Korrespondent der »Süddeutschen Zeitung«.

Israel

Warum ich meine gelbe Schleife nicht ablege

Noch immer konnten nicht alle Angehörigen von Geiseln Abschied von ihren Liebsten nehmen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

Meinung

Wenn plötzlich vom »Geiselaustausch« die Rede ist

Die Berichterstattung vieler Medien über den Gaza-Deal zeigt einmal mehr, was passiert, wenn journalistische Maßstäbe missachtet werden

von Jacques Abramowicz  17.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025

Kommentar

Europa ist im Nahen Osten bedeutungsloser denn je

Während die USA unter Präsident Donald Trump keinen Zweifel darüber haben aufkommen lassen, wo es steht, hat Europa komplett versagt

von Daniel Neumann  13.10.2025

Meinung

Jetzt kann das Herz heilen

In ganz Israel erhebt sich an diesem historischen Tag die Erleichterung wie ein kollektiver tiefer Atemzug – teils Seufzer, teils Schluchzen, teils freudiger Gesang

von Sabine Brandes  13.10.2025

Meinung

Neues Semester, alter Antisemitismus?

Seit zwei Jahren sind deutsche Hochschulen keine sicheren Orte mehr für jüdische Studierende. Es wird viel Mühe kosten, diese Entwicklung zurückzudrehen

von Ron Dekel  13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Kommentar

Deutschland braucht Israels Geheimdienste, Herr Wadephul

Der Außenminister behauptet in einem Interview, die Bundesregierung sei nicht auf Erkenntnisse israelischer Spionagedienste angewiesen. Mit dieser Falschaussage riskiert er das Leben vieler Menschen in Europa

von Remko Leemhuis  11.10.2025 Aktualisiert