Die Meile der Religionen ist eine wunderbare Veranstaltung, die alle paar Jahre in Mannheim stattfindet. Das Forum der Religionen, zu dem die katholische, evangelische, islamische, alevitische und jüdische Gemeinde gehören, stellt Tische mit Speisen und Getränken auf der Straße auf, die von der Hauptmoschee über das jüdische Gemeindezentrum, das Haus der katholischen Kirche und bis zur evangelischen Kirche – etwa eine Meile – verläuft.
Nach einem gemeinsamen Eröffnungsgebet finden bei kostenlosem Essen und Trinken Gespräche zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft statt. Als Kantor der Jüdischen Gemeinde Mannheim bin ich im Organisationsteam der Meile. Na ja, ich war.
Am Montag vergangener Woche, nur neun Tage vor der Feier, zog der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Mannheim unsere Teilnahme schweren Herzens zurück. Die Verantwortung für unsere Mitglieder sowie unsere Gäste bei einer großen Veranstaltung auf offener Straße hat den Vorstand zu diesem Schritt veranlasst. Wir sind es gewohnt, aggressive anti-israelische Demonstrationen fast wöchentlich in der Stadt zu erleben, etwa 200 Meter von der Synagoge entfernt.
Christen, Muslime, Aleviten und Juden werden wieder an langen Tischen auch vor der Mannheimer Synagoge sitzen.
Als Kippa-tragender Jude kann ich nicht mehr zählen, wie oft ich seit dem 7. Oktober 2023 mit »Free Palestine« oder »Scheißjude« auf der Straße begrüßt wurde. Mit Beleidigungen kann man leben. Aber, wie unsere Vorsitzende Deborah Kämper sagte: »Die Vorstellung, dass bei der Meile vor unserer Tür etwas passiert, ist unerträglich.«
Es werden wieder bessere Tage kommen. Christen, Muslime, Aleviten und Juden werden wieder an langen Tischen auch vor der Mannheimer Synagoge sitzen, essen, reden, wenn nicht dieses Jahr, dann im nächsten. David Ben Gurion sagte, wer nicht an Wunder glaube, sei kein Realist.
Aber nun werden nicht nur Mannheimer Juden zu Hause bleiben. Am Freitag wurde entschieden, die Meile der Religionen dieses Jahr komplett ausfallen zu lassen. Sehr schade. Wer von uns hätte sich aber jemals verzeihen können, wenn das Schlimmste passiert wäre?
Der Autor ist Kantor der Jüdischen Gemeinde Mannheim.