Israel liegt geografisch in Asien. Dass seine Sportler beinah ausschließlich in Europa antreten, liegt daran, dass der jüdische Staat aus den asiatischen Verbänden herausgeschmissen wurde. Es ist also eine Art sportpolitisches Asyl, das für Israel, nach einem Wort des Schoa-Überlebenden Léon Poliakov »der Jude unter den Staaten«, in Europa eingeräumt wurde.
Zurzeit sieht es aus, als wolle die wichtigste europäische Sportföderation, der Fußballverband Uefa, Israel suspendieren. Abgestimmt wird erst in der kommenden Woche, aber eine Mehrheit gegen Israel könnte stehen.
Das ist empörend und verwirrend zugleich. Verwirrend, weil die Initiative, Israel aus der Uefa hinauszuwerfen, nicht von einer europäischen politischen Kraft ausgeht, sondern von Katar. Das hat 2022 die Fußball-WM ausgerichtet, es veranstaltet in etlichen Sportarten WMs und andere hochklassige Turniere, und um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2036 hat sich das Emirat ebenfalls beworben. Außerdem gehört das Land zu den Finanziers der Hamas. Dass deren Führungsclique in Katar sitzt, wurde erst jüngst durch den Angriff der israelischen Luftwaffe noch einmal ins Gedächtnis gerufen.
Die Bereitschaft, Juden auszuschließen, hat sich in diese Gesellschaft bereits eingefressen, auch im europäischen Fußball.
Zur Verwirrung darüber, dass sich der europäische Fußball von Katar etwas diktieren lässt, gesellt sich die Empörung. Wie Russland müsse Israel sanktioniert werden, heißt es, und dass Menschenrechte unteilbar sind. Der hinterhergeschobene Halbsatz ist ja richtig. Menschenrechte müssen überall gelten. Und die Frage, wie Israels Kriegsführung in Gaza zu beurteilen ist, muss tatsächlich ernsthaft geprüft werden, auch wenn dafür die internationalen Sportverbände gewiss nicht zuständig sind.
Doch die Gleichsetzung mit Russland ist falsch. Das führt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, eindeutig, und bei Israel geht es darum, ob seine Verteidigung angemessen ist. Israel kämpft gegen die politisch den Gazastreifen beherrschende Hamas, die seit Jahrzehnten militärische Schläge gegen Israel durchführt. Aktuell hält die Hamas immer noch Geiseln, die während des Massakers vom 7. Oktober 2023 genommen wurden. Ihre Freilassung und der Verzicht auf weiteren Terror würden den Krieg beenden.
Egal wie man das politisch-militärische Vorgehen der Netanjahu-Regierung beurteilt — und man kann es mit guten Gründen sehr schrecklich finden: Nichts rechtfertigt den Ausschluss Israels vom Weltsport, nichts rechtfertigt eine Gleichsetzung mit Russland, nichts, absolut gar nichts legitimiert eine antisemitisch grundierte Kampagne gegen den jüdischen Staat.
Israel, so ist zu befürchten, wird gerade zum Juden unter den Fußballern. Diese Formulierung soll keine Banalisierung von Antisemitismus darstellen, sondern verweist leider auf das Gegenteil. Sie zeigt, wie tief sich die Bereitschaft, Juden auszuschließen, in diese Gesellschaft bereits eingefressen hat, auch im Sport, auch im europäischen Fußball.
Der Autor ist freier Sportjournalist in Berlin.