Manifest zur Außenpolitik

Gilt das Versprechen der SPD auch für ukrainische Kinder?

»Wut« trifft es am besten. Ich bin wütend. Wütend auf Teile meiner Partei.

Wie schon in der Vergangenheit des grausamen Krieges in der Ukraine wird aus der Mitte der SPD, von aktiven Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Parteigranden), ein Signal ausgesendet, das in Russland für Applaus und in der Ukraine für Kopfschütteln sorgen wird.

Gerade einige Tage ist es her, dass der Ukraine die Operation »Spiderweb« gelang. Tief auf russischem Gebiet gelang es, Luftwaffenstützpunkte zu treffen. Doch jetzt melden sich Genossen wie Ralf Stegner, Rolf Mützenich und Günter Verheugen mal wieder zu Wort. Es ist der verzweifelte Versuch, in der öffentlichen Debatte als die wahren Verfechter einer sozialdemokratischen Friedenspolitik zu erscheinen.

Anstatt die Operation »Spiderweb« zu loben, die sauber und präzise zwischen zivilen und militärischen Zielen in Russland trennte, und anstatt die trotz dieses Angriffes große Zahl an ausgetauschten Gefangenen zu würdigen, fordern meine Manifest-Genoss*innen, dem Aggressor Russland trotz dessen anhaltender Kriegsverbrechen und einer unendlich langen Liste von Lügen einseitig entgegenzukommen.

Es ist diese mutwillige Ignoranz, die in mir große Wut auslöst. Ich bin als Ukrainer und Jude nämlich nicht ganz zufällig in die SPD eingetreten. Ich wurde nicht gezielt angeworben oder trat ein, weil meine Großeltern Mitstreiter von Willy Brandt gewesen wären.

Nein, ich wurde 2011 SPD-Mitglied, weil ich überzeugt war, dass die Sozialdemokratie allen Kindern, unabhängig von ihrer Herkunft, unabhängig davon, wo sie leben, dazu verhelfen will, eine gute und sichere Zukunft zu haben.

Aber, und das musste ich nun schon mehrfach erfahren, gilt dieses Versprechen nur für Kinder, die in Deutschland leben. Für die in der Ukraine gilt es nicht. Denn anders kann ich mir das Hinwegsehen der Manifest-Schreiber über russische Kriegsverbrechen, über zehntausendfache Morde, Vergewaltigungen und Verschleppungen von Kindern nicht erklären.

Das Verhalten meiner Partei in der Ukraine-Frage, in der Frage von Krieg und Frieden, ist eine Aneinanderreihung von Enttäuschungen, die durch späte Einsichten und durch einige wenige Politiker wie unseren Verteidigungsminister Boris Pistorius, nur teilweise gelindert werden konnten.

Zeit für Konsequenzen

Das Versprechen, die Russland-Politik der SPD kritisch aufzuarbeiten, wurde nie eingelöst. Genossen wie Stegner pflegen seit Jahren ihre offen zur Schau gestellte Selbstgerechtigkeit. Sie leisten damit einen kleinen, aber spürbaren Beitrag zur Ungerechtigkeit, die Ukrainer*innen weltweit empfinden, wenn sie morgens mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung, mit einem klammen Gefühl im Bauch, in den neuen Tag starten.

Lars Klingbeil steht durch seine Doppelrolle als Finanzminister und Parteivorsitzender in der Verantwortung, jetzt Werte und Haltung der SPD in aller Deutlichkeit klarzustellen - auch und gerade im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine.

Die lange Liste der »a. D.«s, von denen viele ihre politische Karriere längst hinter sich und die Schäfchen im Trockenen haben, darf nicht die Politik der SPD bestimmen. Wir leben nicht mehr im Jahr 1975, sondern in 2025.

Und ein Letztes: Wer für die SPD im Bundestag sitzt und Selbstgerechtigkeit vor Gerechtigkeit stellt, sollte irgendwann auch mal die Konsequenzen spüren. Es wäre höchste Zeit für eine Richtungsentscheidung.

Meinung

Was ist mit dieser Fahne los?

Warum die Palästinenserfahne symbolisch so aufgeladen ist und nicht nur für einen Palästinenserstaat, sondern auch für Antizionismus steht. Ein Erklärungsversuch

von Nicole Dreyfus  30.07.2025

Kommentar

Frau von der Leyen, diese EU-Sanktion trifft die Falschen!

Der Vorschlag der EU-Kommission, israelische Start-ups vom Horizon-Programm auszuschließen, hilft den Palästinensern in Gaza herzlich wenig

von Michael Thaidigsmann  29.07.2025

Krieg in Nahost

Gaza, Israel und der Hunger

Jerusalem ist im Begriff, die Hamas militärisch zu besiegen. Den Krieg der Informationen und der Bilder aber hat die palästinensische Terrororganisation schon längst gewonnen – auch durch das Versagen westlicher Journalisten und Politiker. Ein Essay von Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  30.07.2025 Aktualisiert

Kommentar

Unerwünscht, unsicher: Wie sich Israelis heute in Europa fühlen

Die Angriffe und Übergriffe gegen israelische Touristen mehren sich in Europa. Es steht schlecht um den Kontinent, wenn sich Juden nicht ohne Gefahr in der Öffentlichkeit zeigen können

von Alon David  28.07.2025 Aktualisiert

Essay

Habe ich noch einen Platz in der SPD?

Der Schoa-Überlebende Reinhard Schramm ist Sozialdemokrat. Doch seit dem 7. Oktober 2023 hadert er immer öfter mit seiner Partei. Nachdem führende SPD-Politiker Sanktionen gegen Israel gefordert haben, denkt er sogar über einen Austritt nach

von Reinhard Schramm  27.07.2025

Kommentar

Macron und die Palästinafrage: Durchquerung der Wüste

Viele Franzosen hat Emmanuel Macron mit seinem Kurs enttäuscht. Ständig ändert der Präsident zu wichtigen Themen seine Meinung. Auch beim Thema Nahost geht er so vor, sagt Haim Musicant

von Haim Musicant  25.07.2025

Meinung

Rothenburgs jüdische Geschichte ist in Gefahr

In dem bayerischen Ort wurde die mittelalterliche Synagoge freigelegt – und soll nun wieder zugeschüttet werden. Ein skandalöser Umgang mit dem historisch bedeutenden Ort

von Johannes Heil  24.07.2025

Meinung

Israel wird einseitig an den Pranger gestellt

Die SPD fordert, Deutschland solle sich dem Appell von mehr als 20 Staaten an den jüdischen Staat anschließen. Doch das Schreiben erwähnt nicht einmal die Hamas und ist auch kein adäquates Mittel der Diplomatie, meint Renée Röske

von Renée Röske  23.07.2025

Meinung

Die Europäer müssen gegenüber dem Iran Härte zeigen

Das Teheraner Regime wird in den Atomverhandlungen wie immer auf Zeit spielen. Die europäischen Staaten dürfen sich nicht austricksen lassen - und sollten die ausgesetzten Sanktionen wieder aktivieren

von Michael Spaney  22.07.2025