Noch sind die Geiseln nicht frei. Noch hat die Hamas ihre Waffen nicht abgegeben. Noch herrscht kein »ewiger Frieden«, weder in Gaza noch in Israel. Und doch: Diesmal fühlt sich alles anders an.
Als im Januar ein erster Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel verkündet wurde, waren viele skeptisch, dass er von Dauer sein würde. Zu lang war die Zeitspanne, zu viele Unwägbarkeiten waren vorhanden. Auch die jetzt erzielte Einigung der Unterhändler kann jederzeit noch auseinanderfallen. Doch der Optimismus, dass es dieses Mal eine Einigung von Dauer ist, ist förmlich mit Händen zu greifen.
Dabei hätte man angesichts der Vorgehensweise von US-Präsident Donald Trump eigentlich vermutet, dass daraus nichts werden würde. Erst fantasierte er über Pläne, aus Gaza eine Riviera des Nahen Osten zu machen, und klang dabei mehr wie ein New Yorker Immobilienmogul denn ein Politiker. Dann nötigte Trump in geradezu brachialer Art und Weise den Kriegsparteien in Nahost seinen 20-Punkte-Plan auf. Er boxte ihn fast im Alleingang durch und zwang dabei alle, über ihren Schatten zu springen.
Trump handelte klüger als die Europäer
Dafür setzte Trump nicht nur auf markige Worte. Er berief auch keine hochrangige Konferenz bei den Vereinten Nationen ein, die nichts als hehre Absichtserklärungen für eine Zweistaatenlösung gezeitigt hätte. Er setzte nicht auf die Anerkennung eines fiktiven Staates Palästina, sondern übte genau zum richtigen Zeitpunkt Druck aus. Es war Druck auf alle Beteiligten, auch auf Benjamin Netanjahu und dessen Regierung, aber eben nicht nur. Auch auf die arabischen Staaten und auf die Hamas wurde endlich Druck ausgeübt.
Anders als bei seinen demokratischen Amtsvorgängern Joe Biden und Barack Obama, die Amerikas wirtschaftlichen und politischen Einfluss in der Region nicht wirklich für den Friedensprozess nutzen konnten, konnte Trump die entscheidenden Player hinter seinem Vorschlag vereinen. Menschen, die sich ansonsten spinnefeind sind und die spätestens seit dem 7. Oktober 2023 aus ihrer Abneigung, ja ihrem Hass auf die Gegenseite keinen Hehl mehr machten, haben sich nun zu einer Koalition der Willigen zusammengetan und die von Israel militärisch geschwächte Hamas zum Einlenken bewegt, wenn nicht gezwungen.
Auch Netanjahu und seine Hardliner mussten Trump nachgeben. Denn zum Frieden gehören bekanntlich immer zwei. Auch wenn Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich ihre Träume von einer Wiederbesiedlung des Gazastreifens sicherlich nicht aufgeben werden: Trumps Deal hat auch sie maximal in die Schranken gewiesen.
Ein Grund war, dass der US-Präsident und seine Regierung, anders als die zusehend israelkritischen und sanktionswilligen Regierungschefs der europäischen Staaten, immer das Ohr Netanjahus hatte. Trump hat mehr Einfluss auf Israel als die Mächtigen der 27 EU-Staaten zusammen. Gleichzeitig hat der erratische Präsident auch großen Einfluss bei den arabischen Staaten.
Netanjahu konnte Trump nicht nein sagen
Man sollte sich nichts vormachen: Netanjahu hat in den letzten zwei Jahren alles auf eine Karte gesetzt, um die Hamas zu zerstören. Er hat mit seiner Kriegsführung die diplomatische Isolation Israels in weiten Teilen der Welt billigend in Kauf genommen, und die negativen Auswirkungen dieser Politik werden noch lange anhalten.
Aber unter Trump sind die USA Israels engster Verbündeter geblieben. Selbst, wenn er gewollt hätte: Benjamin Netanjahu konnte Trump nicht nein sagen. Er konnte ihn aber dazu bewegen, einen auch für ihn und seine rechte Regierung akzeptablen Vorschlag vorzulegen - und muss nun mithelfen, diesen auch durchzusetzen.
Auch die Führer der arabischen Staaten verdienen an dieser Stelle großes Lob. In der arabischen Welt ist der Hass auf Israel größer als je zuvor. Er wird nicht so schnell verschwinden. Es gehört heutzutage fast Mut dazu, trotzdem eine Verständigung mit Israel anzustreben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das nur möglich ist, weil die Hamas in Gaza und die Hisbollah im Libanon geschwächt sind und der Einfluss des Iran in der Region zurückgedrängt wurde.
Die Wunden zu heilen, die dieser Krieg geschlagen hat, wird Jahrzehnte dauern. Die Bilder der Verwüstung, die aus dem Kriegsgebiet kommen werden, dürften noch bedrückender sein als es jetzt schon der Fall ist, da sollte sich niemand Illusionen machen. Und Optimismus ist im Nahen Osten eigentlich nie angezeigt. Immer kann alles schiefgehen. Und ja, vermutlich wird irgendwann irgendetwas auch schiefgehen.
Frische Luft im Nahen Osten
Doch bis dahin ist Zeit für den Neuanfang, für eine Stunde Null wie in Deutschland nach 1945. Die ersten Schritte für eine bessere Zukunft – das Schweigen der Waffen, die Freilassung aller Geiseln – sind jetzt vereinbart, die Hamas hat vorläufig kapituliert, auch wenn sie das so nicht zugeben dürfte.
Zvika Klein, der Chefredakteur der »Jerusalem Post«, zitierte heute Morgen einen seiner Reporter mit den Worten: »Wow, ich habe das Gefühl, dass wir zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder durchatmen können.« Ein Grund dafür ist, dass Donald Trump und Selfmade-Diplomaten wie Steve Witkoff und Jared Kushner in Nahost die Fenster aufgerissen und frische Luft hereingelassen haben.
Man muss deswegen nicht vor Bewunderung auf die Knie gehen. Man muss Trumps spalterische innenpolitische Manöver nicht gutheißen. Man darf sich für das Weiße Haus einen anderen Hausherrn wünschen. Nur sollte man an einem Tag wie heute anerkennen, dass Trump etwas geschafft hat, was die Europäer und der sogenannte Globale Süden noch nie hinbekommen haben. Er hat nach den Abraham-Abkommen von 2020 erneut einen Deal in Nahost durchgesetzt. Es ist kein perfekter Deal. Aber es ist ein Deal, der Menschenleben retten, Leid verringern und neue Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben wird.
»Der Menschheit den größten Nutzen gebracht«
Nach Maßgabe von Alfred Nobel wird seit 1901 jedes Jahr eine Person mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, die »am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt« und damit »im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht« hat.
Falls sein 20-Punkte-Plan wirklich umgesetzt wird, hätte Donald Trump sich die Auszeichnung redlich verdient. Nicht schon am morgigen Freitag, sondern im kommenden Jahr. Dann wird man sehen können, ob der Trump-Deal wirklich nachhaltigen Nutzen gestiftet hat.
Manche mögen angesichts der Vorstellung, dass Donald Trump den Nobelpreis bekommt, vielleicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber wenn ehemalige Terroristen wie Jassir Arafat preiswürdig sind, dann ist es Trump allemal.
Jedenfalls stehen seit heute die Chancen, dass Trump die begehrte Auszeichnung erhält, ziemlich gut. Und das ist ein Grund zur Freude.