Bis zuletzt wurden die Beziehungen zwischen der EU und Israel durch Stabilität und ständigen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch geprägt. Die EU zählt zu den wichtigsten Handelspartnern Israels. Der Handel mit den EU-Staaten machte im vergangenen Jahr 32 Prozent des gesamten Warenaustauschs Israels mit der Welt aus.
Die am Dienstag vergangene Woche von der EU getroffene Entscheidung, das Partnerschaftsabkommen mit Israel zu überprüfen, stellt allerdings eine Wende in der Beziehungen zum jüdischen Staat dar. Diese Initiative, die Anfang des Monats vom niederländischen Außenminister Caspar Veldkamp eingebracht worden war, stieß auf die Unterstützung von 17 der 27 Staaten der EU. Acht Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, haben gegen die Initiative gestimmt.
Grundsätzlich fußt das Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 21. Juni 2000 (das »EU-Israel Partnerschaftsabkommen«) auf den liberalen Prinzipen, insbesondere auf der Achtung der Menschenrechte und den Grundsätzen der Demokratie. Laut Artikel 6 des EU-Israel-Partnerschaftsabkommens soll die Freihandelszone zwischen der europäischen Gemeinschaft und Israel ausgebaut werden.
Sanktionen sind als politisches Druckmittel ineffektiv
Der Beschluss, das Abkommen zu überprüfen, signalisiert der israelischen Regierung, dass ihre Kriegsführung gegen die Hamas gegen die obengenannten Werte verstößt. Die mögliche Aussetzung des Abkommens würde zweifellos die ohnehin seit dem Kriegsausbruch am 7. Oktober 2023 stagnierende Wirtschaft Israels beeinträchtigen.
Die Meinungsverschiedenheit innerhalb der EU wirft die wichtige Frage der Wirksamkeit einer solchen Sanktionspolitik gegenüber einem Drittstaat auf. Die bisherige Sanktionspolitik der EU gegen Russland wegen seines Angriffs auf die Ukraine hat gezeigt, dass diese Sanktionen als kurzfristige Druckstrategie ineffektiv zu sein scheinen. Auf die russische Wirtschaft hatten sie keine große Wirkung. Die Exporte des Landes blieben hoch und das BIP hat sich mittlerweile erholt.
Die Diskussion sollte über die diplomatischen Kanäle weitergeführt und eine effektive Lösung für die Situation in Gaza gefunden werden.
Vor diesem Hintergrund ist der Standpunkt Deutschlands und einiger anderer EU Ländern, die das Partnerschaftsabkommen mit Israel aufrechterhalten wollen, langfristig vertretbarer. Die weitere enge Zusammenarbeit bietet mehr Möglichkeiten, auf die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und ihrem Vorgehen in Gaza einzuwirken. Die deutsch-israelischen Beziehungen haben sich im Laufe der Zeit in einen engen politischen Dialog verwandelt. Diese Freundschaft hatte mehrere Krisen der bilateralen Beziehungen überlebt, und der Bundesrepublik den Status eines glaubhaften Partners verschafft. Man legt in Israel Wert auf das Verhältnis zur Berlin.
Nach einer jüngsten Umfrage der Bertelsmann Stiftung bewerten ungefähr 60 Prozent der Israelis Deutschland und die Rolle seiner Regierung als positiv. Außerdem unterstützen die meisten Israelis mehreren Umfragen zufolge ein Ende des Krieges und die Befreiung der verbliebenen 58 Geiseln aus den Händen der Hamas. Diese Ergebnisse bieten einen Nährboden für den weiteren konstruktiven Dialog zwischen Deutschland und der Gesellschaft sowie der Regierung in Israel.
Ein Ende des Abkommens würde Israels Demokratie schwächen
Damit verfügt die Bundesregierung über eine wirksamere Einflussmöglichkeit gegenüber Israel als eine Politik, die bloß Sanktionen und Drohungen einsetzt. Es wäre daher falsch, das Abkommen aussetzen. Stattdessen sollte die Diskussion über die diplomatischen Kanäle weitergeführt und eine effektive Lösung für die Situation in Gaza in Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU gefunden werden. Eine Lösung, die einerseits die Sicherheit Israels und die Freilassung der Geiseln garantiert und anderseits eine Alternative zur Hamas in Gaza schafft.
Eine Aufkündigung des Abkommens durch die EU würde dagegen die Mehrheit der Bevölkerung Israels schwächen, die für die demokratischen Werte des jüdischen Staates eintritt und eine dauerhafte Lösung des Konflikts in der Region unterstützt. Die Brücken Europas zu der einzigen Demokratie im Nahen Osten sollten nicht abgerissen werden.
Die Autorin ist Leiterin der Abteilung für Infrastruktur, Energie und Projektfinanzierung sowie des Deutschen Desks bei der Kanzlei Naschitz Brandes Amir. Sie ist Mitglied der Handelskammer Israel-Deutschland (AHK).