Rüdiger Mahlo

Düsseldorf und die Füchse

Rüdiger Mahlo Foto: Marco Limberg

Rüdiger Mahlo

Düsseldorf und die Füchse

Es wäre wünschenswert, dass die jüngste Rückgabe von Raubkunst an die jüdischen Besitzer zu einem Präzedenzfall wird

von Rüdiger Mahlo  06.05.2021 08:50 Uhr

Vergangene Woche hat der gesamte Kunstbetrieb mit allergrößtem Interesse nach Düsseldorf geblickt. Dann fiel die Entscheidung: Die Stadt beschloss, der Empfehlung der Beratenden Kommission zu folgen und das Gemälde »Füchse« von Franz Marc an die Erben von Kurt Grawi zu restituieren.

Hervorzuheben an dieser Entscheidung ist, dass demnach ein Verkauf außerhalb des NS-Machtbereichs eine Restitution nicht notwendigerweise ausschließt. Damit hat die Beratende Kommission in ihrer Empfehlung den historischen Verfolgungskontext umfassend gewürdigt und berücksichtigt.

kritik An dieser wichtigen und mutigen Empfehlung der Beratenden Kommission gab es teilweise vehemente Kritik. Kurt Grawi habe sich und seine Familie und obendrein noch das Marc-Gemälde doch ins Ausland retten und zu marktüblichen Konditionen verkaufen können. Entgegen der geäußerten Kritik schließt dies jedoch einen verfolgungsbedingten Verkauf keinesfalls aus.

Halten wir uns die Situation der jüdischen Familie Grawi zum Zeitpunkt ihrer Flucht nach Chile vor Augen, so wird deutlich, unter welch massivem Druck Kurt Grawi – nach KZ-Haft und Arisierung seiner Firmen- und Geschäftsanteile – bei der Veräußerung des Gemäldes stand. Der frühere Banker floh mit – den ihm belassenen – zehn Reichsmark in der Tasche aus seiner Heimat Deutschland. Kurz zuvor muss er das Gemälde unter hohem persönlichen Risiko außer Landes geschafft haben.

Mit ihrer Empfehlung hat die Kommission eine faire und gerechte Lösung vorgeschlagen, die ethisch-moralische Maßstäbe setzt.

Es ist höchstwahrscheinlich, dass der Verkauf des Bildes die einzige Möglichkeit für Grawi und seine Familie war, die erste Zeit in der Emigration zu überleben. Denn als Jude hätte Grawi das Bild in Deutschland weder zu einem fairen Preis veräußern können, noch hätte er über den Kaufpreis verfügen oder diesen ins Ausland ausführen dürfen. Doch wer Kunst schnell und unter wirtschaftlichem Druck verkaufen muss, ist im Nachteil. Das zeigt der auch für damalige Verhältnisse bescheidene Verkaufspreis von 1250 US-Dollar.

notlage Diesen Umstand haben die Beratende Kommission und die Stadt Düsseldorf nun berücksichtigt. Denn ohne die NS-Verfolgung und die durch sie absichtlich herbeigeführte wirtschaftliche Notlage hätte Grawi sich nicht von dem Gemälde getrennt.

Mit ihrer Empfehlung hat die Kommission eine faire und gerechte Lösung vorgeschlagen, die ethisch-moralische Maßstäbe setzt. Die Rückgabe des auf rund 14 Millionen Euro taxierten Kunstwerks stellt deshalb für die Grawi-Erben eine späte Korrektur nationalsozialistischen Unrechts dar.

Der Autor ist Repräsentant der Claims Conference in Deutschland.

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden, weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Meinung

Die Schönwetterfreunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Meinung

Jason Stanley und der eigentliche Skandal

Ohne mit allen Beteiligten gesprochen zu haben und ohne zu wissen, was wirklich passiert ist, schrieb die deutsche Presse das Ende des jüdisch-liberalen Diskurses herbei. Dabei offenbart sich, wie leichtfüßig Stereotype gefüttert werden

von Daniel Neumann  14.11.2025