Susanne Urban

Documenta: Keine Volksverhetzung?

Susanne Urban Foto: privat

Susanne Urban

Documenta: Keine Volksverhetzung?

Die Staatsanwaltschaft Kassel hat entschieden, dass die antisemitischen Bilder auf der Kunstaustellung nicht strafbar sind. Die Argumente sind wenig überzeugend

von Susanne Urban  20.04.2023 09:37 Uhr

Die Kasseler Kunstausstellung documenta machte im Sommer 2022 mit dort gezeigten antisemitischen Werken Schlagzeilen. Insgesamt 25 Personen und Institutionen erstatteten gegen die Verantwortlichen Strafanzeige.

Nun hat die Staatsanwaltschaft in Kassel entschieden, dass kein »Anfangsverdacht wegen einer verfolgbaren Straftat« bestehe. In der Begründung heißt es, es könne kein Aufstacheln zum Hass im Sinne der Volksverhetzung festgestellt werden, die Werke hätten nicht den öffentlichen Frieden bedroht und sich nicht gegen die »inländische jüdische Bevölkerung« gerichtet.

künstlerkollektiv Zur Erinnerung: Auf dem Gemälde »People’s Justice« des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi war ein Jude mit Vampirzähnen und SS-Rune auf dem Hut zu sehen. Hat die Staatsanwaltschaft diese Dämonisierung aller Juden, auch der »inländischen«, nicht erkannt?

Antisemitismus zielt auf Juden, auch über den Umweg Israel.

Dass dieses und weitere Werke bereits woanders gezeigt und nicht beanstandet worden waren, ist eine sehr verquere juristische Entlastung. Das Argument, die betreffenden Künstler seien des Deutschen nicht mächtig und stammten aus einem völlig anderen Kulturkreis, ist lächerlich und müsste alle Postkolonialisten wegen Rassismus auf den Plan rufen.

»Stürmer« Hat man in der Staatsanwaltschaft Kassel darüber nachgedacht, was die im Stile von »Stürmer«-Karikaturen gemalten documenta-Bilder anrichteten? Und vor allem: was diese Stellungnahme bei Jüdinnen und Juden, in jüdischen Gemeinden auslöst?

Antisemitismus zielt auf Juden, auch über den Umweg Israel. Antisemitismus erzeugt einen für die jüdische Gemeinschaft immer bedrohlicheren Alltag. Er ist ein beständiges Element der Gesellschaften Europas, Deutschlands und vieler anderer Länder – inklusive Indonesiens, wo Taring Padi herkommt, man aber die israelische U20-Fußballmannschaft nicht willkommen heißen wollte. Das lag bestimmt nicht daran, dass dort kein Deutsch gesprochen wird. Antisemitisch wird auf der ganzen Welt parliert.

Die Autorin ist Projektleiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen).

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  01.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Wenn ein Botschafter Schoa-Überlebende zu Lügnern erklärt

Tom Rose, neuer US-Botschafter in Warschau, hat in einer Rede die Komplizenschaft Tausender Polen während des Holocaust bestritten. Das ist fatal für das Ansehen der USA

von Menachem Z. Rosensaft  29.11.2025

Meinung

Die Flucht der arabischen Juden

Einst lebten viele Juden in der muslimischen Welt. Es ist wichtig, an ihre persönlichen Geschichten von Exil und Mut zu erinnern

von Tair Haim  27.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025