Anna Staroselski

Das ZDF, die Schoa und der Hass auf Juden

Anna Staroselski Foto: Gregor Zielke

Anna Staroselski

Das ZDF, die Schoa und der Hass auf Juden

Hat der Sender ein strukturelles Antisemitismus-Problem?

von Anna Staroselski  10.02.2022 09:35 Uhr Aktualisiert

Anlässlich des Holocaust-Gedenktages veröffentlichte das ZDF vergangene Woche eine neue Folge aus der Reihe aspekte mit dem Titel »Kein Genozid wie jeder andere – wie wollen wir uns an den Holocaust erinnern?«.

Im Fokus der Sendung stand die Auseinandersetzung mit der Frage nach neuen Formen der deutschen Erinnerungskultur. Vor dem Hintergrund der zunehmend offen artikulierten Schoa-Relativierungen scheint dieses zunächst ein löbliches Vorhaben zu sein.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Nach dem einleitenden Bericht über die Täterseite und die Opferperspektive im Holocaust tritt in der aspekte-Sendung der australische Historiker Dirk Moses auf, der die These eines vermeintlichen deutschen »Katechismus« formuliert, wonach die Prämisse der historischen Einzigartigkeit des Holocaust nicht angezweifelt werden dürfe. In der »dogmatischen Argumentation« der Beispiellosigkeit des Holocaust sehe er fatale Folgen für die deutsche Einwanderungsgesellschaft.

Unmittelbar darauf taucht in dem Beitrag der palästinensischstämmige Philosoph Sami Khatib auf, der verlangt, »dass die deutsche Politik aus diesen Völkerrechtsverletzungen Konsequenzen ziehen muss, nur dann würde auch die deutsche Erinnerungskultur ihren eigenen moralischen Maßstäben gerecht«. Die deutsche Staatsräson stünde dem im Weg.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Nicht nur wird damit in der ZDF-Sendung anlässlich des Holocaust-Gedenktages die Schoa relativiert, sie wird auch noch mit dem Leid der Palästinenser verglichen. Im weiteren Verlauf der Sendung wird die »Nakba« als Begriff für die palästinensische Vertreibung im Zuge der israelischen Staatsgründung eingeführt.

Dass Israel einen Tag nach seiner Staatsgründung von mehreren arabischen Armeen angegriffen wurde und es folglich zu antijüdischen Pogromen und zur Vertreibung von Juden in sämtlichen arabischen Staaten weltweit kam, wird jedoch ausgeblendet. Auch finden die jährlichen »Nakba-Tag« Demonstrationen, auf denen zur Vernichtung Israels aufgerufen wird, keine Erwähnung im Beitrag.

Die Terrororganisation Hamas taucht mit keinem Wort in dem Bericht auf.

Schlecht recherchiert scheint auch die in der Sendung erwähnte, vermeintliche israelische Besatzung im Gaza-Streifen zu sein. Denn seit 2005 wurden auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon israelische Truppen konsequent aus Gaza abgezogen, seit 2007 steht Gaza unter der Kontrolle der Terrororganisation Hamas und keine einzige jüdische Person bewohnt mehr diesen Küstenstreifen. Die Hamas taucht aber mit keinem Wort in dem Bericht auf. Ein peinlicher Fehler des ZDF oder bewusstes Schüren von israelfeindlichen Ressentiments?

Bildungsauftrag Bemerkenswert, wie es dem ZDF gelang, in dieser Sendung den Bogen vom Bericht einer Urenkelin über die Verbrechen ihres Nazi-Urgroßvaters zur »israelischen Besatzung« zu spannen. Die Schoa zu relativieren und Juden von Opfern zu Tätern zu erklären, ist antisemitisch.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Welchem Bildungsauftrag wurde das ZDF mit dieser Sendung gerecht? Wie viele antisemitische Fehltritte darf sich das ZDF noch erlauben? Der Aufarbeitung der deutschen NS-Vergangenheit wird mit Sendungen wie dieser ein Bärendienst erwiesen.

Der Holocaust war kein Genozid unter vielen. Die Einzigartigkeit dieser NS-Vernichtungsmaschinerie ist beispiellos und das Leid der Opfer des Nationalsozialismus ist nicht mit der Situation der Palästinenser zu vergleichen. Das Leid der Palästinenser ist schrecklich und unzumutbar, aber Juden und Israelis dafür die alleinige Schuld zuzuschreiben, ist schockierend.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Hochproblematisch ist es, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk antiisraelische Ressentiments wiederholt schürt, die damit den Nährboden für israelbezogenen Antisemitismus in Deutschland wieder schaffen. Dass israelbezogener Antisemitismus eine reale Bedrohung für Jüdinnen und Juden in Deutschland ist, haben wir spätestens im Mai und Juni des vergangenen Jahres gesehen. Allerspätestens.

Hochproblematisch ist, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk antiisraelische Ressentiments schürt.

Erst kürzlich stellte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) gemeinsam mit dem Internationalen Institut für Bildung Sozial- und Antisemitismusforschung (IIBSA) einen Bericht zu israelbezogenem Antisemitismus vor. Zwischen dem 9. Mai 2021 und dem 8. Juni 2021 kam es allein in Berlin im Kontext der Eskalation im Nahen Osten zu 152 (!) antisemitischen Vorfällen und bundesweit zu 121 israelfeindlichen Versammlungen. Diese Zahlen sprechen Bände. Und die Dunkelziffer ist noch einmal dramatisch höher.

Zum 77. Mal hat sich der Holocaust-Gedenktag nun gejährt. In der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen haben wir gesamtgesellschaftlich noch Einiges zu leisten. Ein Weg wird sicherlich sein, den Historikerstreit nie wieder aufleben zu lassen. Denn die Schuldabwehr, entweder in Form von Täter-Opfer-Umkehrmechanismen oder durch Schoa-Relativierungen dürfen wir unter keinen Umständen weiter zulassen – das sind wir den unzähligen in der Schoa ermordeten Menschen schuldig.

Die Autorin ist Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD).

In der ursprünglichen Version des Kommentars stand, dass jüdische Stimmen im Rahmen der Sendung nicht vorgekommen seien. Dies war nicht korrekt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025

Essay

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  06.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Einseitig, fehlerhaft, selbstgerecht

Die »International Association of Genocide Scholars« bezichtigt Israel des Völkermords. Die Hamas spricht sie von jeder Verantwortung für die Lage in Gaza frei. Eine Erwiderung

von Menachem Z. Rosensaft  05.09.2025

Meinung

Vuelta-Radrennen: Israelhasser ohne Sportsgeist

Bei der spanischen Radtour ist der israelische Rennstall Ziel von Störaktionen. Nun forderte der Rennleiter das Team auf, nicht mehr anzutreten. Wenigen Fanatiker gelingt es, Israel vom Sport auszuschließen - wie so oft in der Geschichte

von Martin Krauss  04.09.2025

Kommentar

Gaza: Das falsche Spiel der Vereinten Nationen

Die UN ist kein neutraler Akteur im Gazakrieg. Ihre Vertreter scheuen sich nicht, irreführende Zahlen in Umlauf zu bringen und die Hamas als legitime politische Kraft zu präsentieren

von Jacques Abramowicz  03.09.2025

Meinung

Marlene Engelhorn, die Gaza-Flottille und deutsche Schuldabwehr

Die Familie der BASF-Erbin hat an der Ermordung von Juden mitverdient. Nun diffamiert sie den jüdischen Staat, um sich selbst im Gespräch zu halten

von Antonia Sternberger  03.09.2025

Meinung

Schlechte Zeiten für Frankfurts Juden

Durch die Radikalisierung der israelfeindlichen Szene ist die jüdische Gemeinschaft der Mainmetropole zunehmend verunsichert. In der Stadtgesellschaft interessiert das jedoch nur wenige

von Eugen El  01.09.2025