Roman Kwiatkowski

Billiges Gedenken?

Roman Kwiatkowski

Am 15. September wurde in Berlin die Konzeption des Ortes der Erinnerung und Begegnung mit Polen vorgestellt. Sie ist das Ergebnis eines Beschlusses des Deutschen Bundestags von 2020. An der Konzeption arbeitete eine Expertenkommission, die das deutsche Außenministerium berufen hatte.

Gemeinsam mit anderen Opferverbänden baten wir um die Veröffentlichung der Mitgliederliste dieses Gremiums vor seiner offiziellen Publikation. Leider vergeblich. Unserer Ansicht nach ist das ein Beleg dafür, dass die Stimme der Organisationen, die die Überlebenden der deutschen Verfolgung repräsentieren, darunter die Vertreter der Roma, der Juden sowie ihrer Nachkommen, weder berücksichtigt noch ernst genommen wird.

Heute, über 76 Jahre nach der Befreiung Europas vom Nazismus, verstummen allmählich die letzten Zeitzeugen. Nun sind die Nachgeborenen in der Pflicht, an die Opfer und deren Erbe zu erinnern.

ROMA 75 Prozent aller polnischen Roma kamen während der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg ums Leben. Rund 500.000 Sinti und Roma wurden im von den Nazis besetzten Europa ermordet. Es beunruhigt uns sehr, dass es im Gremium der Expertenkommission keinen Vertreter der Sinti und Roma gibt. Es ist unverzeihlich, dass nun ein Expertengremium einen Ort der Erinnerung und der Begegnung mit Polen konzipiert, ohne die polnischen Roma in diese Arbeiten miteinzubeziehen. Das kommt dem Versuch gleich, die Geschichte der polnischen Roma ohne die Roma zu schreiben.

Die Konzeption, die die vom deutschen Außenministerium berufene Expertenkommission ausgearbeitet hat, ist für uns inakzeptabel. Sie konzentriert sich auf den Bau eines Denkmals, einen Ort der Begegnung und Debatte über die deutsch-polnische Geschichte. In den Arbeiten der Experten kommt der Aspekt der Wiedergutmachung für das Leid, das den Opfern des Besatzungsterrors angetan wurde, nicht vor.

In den Arbeiten der Experten kommt der Aspekt der Wiedergutmachung für das Leid, das den Opfern des Besatzungsterrors angetan wurde, nicht vor.

Es schockiert uns, dass das Thema der finanziellen Verantwortung Deutschlands für die begangenen Verbrechen, die materiellen und immateriellen Zerstörungen unter den Teppich gekehrt wurden. Der Terror der deutschen Besatzung Polens hat den Überlebenden und ihren Familien einen bis heute spürbaren Stempel aufgedrückt.

GHETTOS Das unbequeme Thema der schockierend niedrigen Renten für die Sklavenarbeit in den Konzentrationslagern, Ghettos und Zwangsarbeitslagern wird verschwiegen – ein Schlag ins Gesicht der Opfer und ihrer Familien. In der Konzeption fehlt die Anerkennung der deutschen Pflicht zur Zahlung von Renten aus dem deutschen Versicherungssystem oder zur Auszahlung von Versicherungsleistungen für Personen, die Zwangsarbeit leisten mussten.

»Gedenken ist billiger als Rekompensation« – diese Worte von Marian Kalwary, der das Warschauer Ghetto überlebt hat und heute Vorsitzender der Gesellschaft der jüdischen Veteranen und Geschädigten im Zweiten Weltkrieg ist, geben den Charakter dieser Politik ideal wieder.

Der Autor ist Vorsitzender des Roma-Verbandes Polens.

Meinung

Es geht um mehr als Deeskalation oder »Drecksarbeit«

In der deutschen Debatte um Israels Luftschläge gegen das Teheraner Regime wird das entscheidende ausgeklammert: die seit langem völlig verfehlte deutsche Iranpolitik

von Constantin Ganß  20.06.2025

Meinung

Israel hat eine historische Chance auf Frieden

Nach den militärischen Erfolgen der vergangenen 20 Monate hat der jüdische Staat keinen Feind mehr, der seine Existenz ernsthaft bedrohen könnte. Nun ist die Zeit für Diplomatie gekommen

von Joshua Schultheis  19.06.2025

Essay

Es geschah an einem 23. Siwan

Eine Betrachtung zu einem historischen Datum in der jüdischen Geschichte und dem Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen

von Jacques Abramowicz  19.06.2025

Kommentar

Der Öl-Preis muss fallen, damit die Mullahs stürzen

Wenn der Preis für Rohöl auf unter 10 US-Dollar fällt, gehen die Saudis nicht pleite, aber der Revolutionsführer Chamenei sehr wohl. Putin übrigens auch.

von Saba Farzan  17.06.2025

Kommentar

Der »Spiegel«, Israel und das Völkerrecht

Deutschland dürfe »nicht erneut« zu Israels Angriffen schweigen, fordert Thore Schröder in einem Artikel. Wenn es um den jüdischen Staat geht, hat Realitätsverweigerung bei dem Hamburger Magazin System

von Ralf Balke  17.06.2025

Meinung

Die »Staatsräson« mit neuem Leben füllen

Umfragen zeigen, dass Israel hierzulande alles andere als beliebt ist. Dabei sollte allen Deutschen das Schicksal des jüdischen Staates am Herzen liegen - gerade angesichts der Bedrohung aus dem Iran

von Nikolas Lelle  16.06.2025

Iman Sefati

Warum viele Exil-Iraner Israel dankbar sind

»Viele Exil-Iraner sehen in diesen Angriffen nicht Krieg, sondern Hoffnung«, schreibt der Autor

von Iman Sefati  15.06.2025

Meinung

Israel verteidigt sich – und schützt die Region

Warum der Angriff auf iranische Atomanlagen notwendig war – und was Europa daraus lernen muss

von Carsten Ovens  15.06.2025

Manifest zur Außenpolitik

Gilt das Versprechen der SPD auch für ukrainische Kinder?

Unser Gastautor wurde in der Ukraine geboren und ist Jude. Seit vielen Jahren ist er SPD-Mitglied. Das neue Manifest einiger Altvorderer zur Außenpolitik macht ihn wütend

von Igor Matviyets  13.06.2025