Volker Beck

Ausdruck von Pluralität und Gleichheit

Volker Beck Foto: Marco Limberg

Islamische Theologie an deutschen Universitäten und Islamischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen sind Ausdruck von Pluralität und Gleichheit der Religionen in unserem Land. Deshalb ist es zu begrüßen, dass der Senat von Berlin an der Humboldt-Universität ein Institut für Islamische Theologie einrichtet.

Wie an den protestantischen und katholischen Fakultäten oder der Potsdamer School of Jewish Theology braucht es für Fragen der Lehrerlaubnis einen religiösen Partner. Da es in Deutschland praktisch nur islamische Verbände, zum Teil mit starker politischer Prägung aus dem Ausland, aber keine islamischen Religionsgemeinschaften gibt, übernimmt ein Beirat ersatzweise diese Rolle.

verfassung Mindestanforderungen für die Mitwirkung von Verbänden im Beirat sind die Achtung der Grundlagen der Verfassung und des Religionsverfassungsrechtes bei der Zusammenarbeit, ihre Zuverlässigkeit gegenüber dem Staat und ihre Autorität gegenüber ihren Mitgliedern sowie die theologische Begründung der Entscheidungen des Beirats.

Von Anfang an gab es erhebliche Bedenken gegen die Mitgliedschaft der Islamischen Gemeinschaft der Schiiten in Deutschland (IGS) im Institutsbeirat.

Von Anfang an gab es erhebliche Bedenken gegen die Mitgliedschaft der Islamischen Gemeinschaft der Schiiten in Deutschland (IGS) im Institutsbeirat. Deren wichtigstes Mitglied, das Islamische Zentrum Hamburg IZH, hat in der Vergangenheit maßgeblich die jährlichen antiisraelischen Al-Quds-Demonstrationen in Berlin zu verantworten gehabt.

Kenner der Szene sagen: Das IZH zieht die Strippen in der IGS. Der Leiter des IZH gilt laut Verfassungsschutz als Vertreter des »Revolutionsführers« der Islamischen Republik Iran in Deutschland und Europa. Die Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, die islamische Lehre schiitisch-staatsiranischer Prägung bei uns zu verbreiten. Daher verwundert es nicht, dass die IGS sich nicht von den Al-Quds-Demonstrationen distanzieren will und für sich auch gar keine Autorität in solchen Fragen beansprucht.

warnungen Der Senat schlug alle Warnungen in den Wind. Da die türkische DITIB und die mystisch ausgerichteten Süleymancilar der VIKZ schon ausgefallen waren, drückte man bei der IGS alle Augen zu. Das erweist sich nun als schwerer Fehler.

Letzte Woche berichtete die »Jerusalem Post« über ein Video aus einer Münsteraner Moschee der IGS, dem Imam Mahdi Zentrum, bei dem ein Gedicht mit Parteinahme für die Aktivitäten der Hizb Allah und Treueschwüre zum iranischen Revolutionsführer zum Vortrag kommt. Darin heißt es: »We have been accused of being terrorists – we are proud of terrorism«. Ein Verband mit solchen Positionen soll über Lehrinhalte und -erlaubnisse an deutschen Hochschulen entscheiden? Das kann man doch im Ernst keinen Tag länger dulden.

Und die Münsteraner Moschee ist kein Einzelfall. Wer das neue Werk von Susanne Schröter, Leiter der Forschungsstelle Globaler Islam der Frankfurter Goethe-Universität, über den sogenannten politischen Islam zur Hand nimmt, findet über viele Seiten hinweg eine ganze Reihe von Mitgliedsgemeinden der IGS, die die Ideologie des iranischen Regimes und der Hisbollah verbreiten.

beirat Aber nicht nur die IGS ist in dem Beirat ein Problem. Aus dem Umfeld der Humboldt-Universität hört man, dass bei den aktuellen Berufungsverfahren für die Professuren des Instituts die Verbandsvertreter ihre Rolle nicht verstanden haben. So hat die Berufungskommission eine Person wegen ihrer Qualifikation ganz oben auf die Liste gesetzt, gegen die einige Verbandsvertreter – auch von Verbänden, die nicht einmal im Beirat sind – angeblich Sturm laufen.

Beim Zentralrat der Muslime ist zwischen Land und Bund demnach richtig Zoff. Vorbei an der Vertreterin seines Landesverbandes im Beirat soll Zentralratsvorsitzender Aiman Mazyek direkt interveniert haben. Grund für den Widerstand ist ein Persönlichkeitsmerkmal der Bewerberin, das in der islamischen Theologie unterschiedlich bewertet wird. Angesichts dieses Pluralismus lässt sich theologisch eine Ablehnung dieser Bewerberin eben gerade nicht begründen, und politisch-kulturelle Gründe oder diskriminierende Haltungen ohne theologische Basis haben in Berufungsverfahren nichts verloren.

Die Pressestelle des Zentralrats der Muslime hat trotz schriftlicher Anfrage die Schilderungen aus dem Umfeld der Universität nicht dementiert.

Die Pressestelle des Zentralrats der Muslime hat trotz schriftlicher Anfrage die Schilderungen aus dem Umfeld der Universität nicht dementiert. Die Senatspressestelle wollte sich zu einem laufenden Berufungsverfahren zwar grundsätzlich nicht äußern, wies in ihrer Antwort die Darstellung allerdings nicht zurück.

staat Der Münsteraner Theologe Scheliha hat erst jüngst gefordert, dass man die Auseinandersetzungen um islamische Lehrstühle stärker theologisieren müsste. Hier ist eine klare Haltung des Staates gegenüber den religiösen Akteuren gefordert, die dies durchsetzt. Die Verbände müssen lernen, Personen in die Gremien zu schicken, die mit Autorität für sie sprechen können, und verstehen, dass ihre Funktion eine rein-theologische ist.

Mit Verbänden, die offene Befürwortung von Terrorismus und Menschenrechtsverletzungen in ihren Reihen dulden, darf es keine Kooperation geben. Ein Lernprozess ist immer anstrengend, aber kann für die Gesellschaft auch zur Klärung führen und so ein Gewinn werden.

Es geht um ein respektvolles Miteinander – nicht mehr und nicht weniger.

Volker Beck ist Leo-Baeck-Preisträger des Zentralrats der Juden und Lehrbeauftragter des Centrums für Religionswissenschaftliche Studien CERES der Ruhr‐Universität Bochum.

 

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  17.12.2025

Meinung

Warum ich Sydney nicht verlassen werde

Der Terroranschlag von Bondi Beach wurde auch möglich, weil die Mehrheitsgesellschaft den Antisemitismus im Land ignoriert hat. Unsere Autorin sagt trotzdem: Ihre Heimat als Jüdin ist und bleibt Australien

von Amie Liebowitz  17.12.2025

Meinung

Die Empörung über Antisemitismus muss lauter werden

Der Anschlag von Sydney war in einem weltweiten Klima des Juden- und Israelhasses erwartbar. Nun ist es an der Zeit, endlich Haltung zu zeigen

von Claire Schaub-Moore  17.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

Meinung

Xavier Naidoos antisemitische Aussagen? Haken dran!

Der Mannheimer Sänger füllt wieder Konzertsäle. Seine Verschwörungserzählungen über Juden und holocaustrelativierenden Thesen scheinen kaum noch jemanden zu stören

von Ralf Fischer  15.12.2025

Charlotte Knobloch

Pessimismus können wir uns nicht leisten

Nach dem Terror in Sydney fragen sich auch Juden hierzulande erneut: Wohin? Deutschland hat bewiesen, dass es jüdischen Menschen eine Heimat sein kann und will, meint die Münchner Gemeindechefin

von Charlotte Knobloch  15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert