Meinung

Appeasement mit genozidalen Terroristen?

Foto: Flash90

Da der Begriff Beschwichtigung, auf Englisch Appeasement, mittlerweile in Ungnade gefallen ist, ruft man heutzutage lieber nach »Deeskalation«, was aber nichts anderes ist. Um den Nahostkonflikt zu befrieden, braucht es nach Ansicht vieler Experten hierzulande eine Deeskalation, eine »sofortige« am besten.

Besonders laut werden diese Rufe, wann immer Israel sich mit militärischen Mitteln gegen Angriffe und konkrete Bedrohungen zur Wehr setzt und dabei auch noch erfolgreich ist.

Wenn die Hisbollah oder die Hamas geschwächt sind, kommt dann die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand, einem »sofortigen« und »dauerhaften«, versteht sich. Sobald die eingekehrt ist, geht zwar die Aufrüstung der Terrororganisationen von vorne los, allen Aktivitäten von UNIFIL und UNRWA zum Trotz. Aber Hauptsache, es herrscht wieder Ruhe.

An dieser Stelle könnte man einmal die hypothetische Frage stellen, wie alles ausgegangen wäre, hätte man in Großbritannien auch 1940 ff. weiter auf Appeasement, pardon, auf Deeskalation gesetzt, hätte man die kurzfristige Sorge um die eigene, vom »Blitz« der Deutschen schwer getroffene Bevölkerung Londons der langfristigen Sorge um das Überleben des eigenen Staates untergeordnet.

Vielleicht wäre so der Tod vieler Menschen im Zweiten Weltkrieg vermieden worden. Die Bombardierung Dresdens zum Beispiel. Aber um welchen Preis? Wahrscheinlich um den Preis, dass ganz Europa von Nazis und Faschisten regiert worden wäre. Womöglich bis heute.

Polen wäre ein deutscher Vasallenstaat geworden. Wahrscheinlich würde man den Polen sagen, dass sie ja sowieso schon immer zu Preußen gehört hätten und sich bitte nicht so anstellen mögen. Charles de Gaulle in seinem englischen Exil hätte sich wahrscheinlich mit dem Vichy-Regime abfinden müssen. Und Hitler-Deutschland hätte keinen Zweifrontenkrieg mehr führen müssen, sondern die reelle Chance gehabt, auch die Sowjetunion zu besiegen und zu unterwerfen. Und Juden gäbe es natürlich keine mehr in Europa.

Lesen Sie auch

Hätte sich 1940 die Deeskalatoren durchgesetzt, gäbe es heute keine Europäische Union, keine Vereinten Nationen, keine NATO. Es gäbe stattdessen etwas ganz anderes, etwas Unvorstellbares. Vielleicht gäbe es heute noch Konzentrationslager für Homosexuelle, für Andersdenkende.

Dass wir ein solches Horrorszenario nicht erleben mussten, hat auch damit zu tun, dass sich Großbritannien unter Churchill und die USA unter Roosevelt nicht der Politik der Beschwichtigung eines brutalen Diktators hingaben, sondern diese existenzielle Bedrohung mit aller Kraft bekämpften.

Nun ist der Nahostkonflikt nicht mit dem Zweiten Weltkrieg vergleichbar. Außer in einem Punkt: Wieder einmal versuchen sich Antisemiten an der Auslöschung des jüdischen Volkes. Es geht um die Vernichtung des Staates Israel. Doch wie reagiert die Welt? Mit einem Appell zur Deeskalation, einem Appell an die Opfer, jetzt doch bitte nicht zurückzuschlagen, doch nicht die Stabilität des Libanon zu gefährden ...

Hitler hat damals nicht gewonnen, aber Millionen unschuldiger Menschen kamen im Zweiten Weltkrieg ums Leben, auch durch Angriffe der Alliierten.

Auch die Terrorgruppe ISIS und ihr islamistisches Kalifat wurden vor zehn Jahren besiegt. Eine große Kraftanstrengung, die ebenfalls viele Opfer unter der Zivilbevölkerung forderte. Doch niemand sah eine Alternative zu diesem Krieg.

Bei der existenziellen Bedrohung gegen Israel hingegen ruft alle Welt nur »Deeskalation«. Hamas und Hisbollah können schalten und walten, die Vereinten Nationen warnen lieber vor einem Flächenbrand.

Israel wird aktuell von der Welt im Stich gelassen. Nur wenn es sich wehrt, wachen einige auf und verlangen das Ende aller Kampfhandlungen. Man will seine Ruhe haben, aber keine Lehren aus der Geschichte ziehen.

Nahost

Israel-Besuch: J.D. Vance will Waffenruhe retten

Der amerikanische Vizepräsident soll sicherstellen, dass die Israelis die Vereinbarung nicht aufkündigen. Steve Witkoff und Jared Kushner gehören zu Vances Delegation

 21.10.2025

Geiseln

»Ein ewiger Junge mit 41 Jahren«

Die Leiche von Tal Haimi wurde aus Gaza überführt und in der Nacht identifiziert / Er lernte sein viertes Kind nie kennen

von Sabine Brandes  21.10.2025

Luxemburg

Kallas: EU-Sanktionen gegen Israel bleiben auf dem Tisch

Die EU-Außenbeauftragte will die Vorschläge für Strafmaßnahmen vorerst nicht zurückziehen - der CDU-Politiker Armin Laschet nennt Kaja Kallas deswegen »unbedarft«

von Michael Thaidigsmann  20.10.2025

Gazastreifen

Hamas übergibt weiteren Leichnam

Sollte sich die Identität des Leichnams bestätigen, verblieben noch 15 Geiseln in der Gewalt der Terroristen

 20.10.2025

Wieder zu Hause

Leibspeisen und Lieblingssänger für die Ex-Geiseln

In den Krankenhäusern spielten sich in den vergangenen Tagen emotionale Szenen ab. Die befreiten Geiseln kehren langsam wieder ins Leben zurück

von Sabine Brandes  20.10.2025

Gazastreifen

Hamas will weiteren Geisel-Leichnam übergeben

Die israelische Armee bereitet sich darauf vor, die sterblichen Überreste am Montagabend zu empfangen

 20.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Israel

WIZO trauert um Ehrenpräsidentin Tova Ben-Dov

Sechs Jahrzehnte lang widmete sie sich der WIZO. Nun ist Tova Ben-Dov im Alter von 88 Jahren in Israel gestorben

 20.10.2025

Jerusalem

Benjamin Netanjahu will 2026 wieder kandidieren

Der Ministerpräsident zeigt sich auch bezüglich der nächsten Wahlen selbstbewusst

 20.10.2025