Kommentar

Antisemitismus hat leider schon lange einen Platz in Deutschland

Sigmount A. Königsberg Foto: Gregor Zielke

Kommentar

Antisemitismus hat leider schon lange einen Platz in Deutschland

Vernichtungsfantasien gegen Juden scheinen konsensfähig zu sein, wie die Ereignisse vom Wochenende in Berlin wieder einmal zeigen

von Sigmount A. Königsberg  24.06.2025 12:06 Uhr

Es gibt eine Reihe von Politiker-Sätzen, die ich nicht mehr hören möchte, ich könnte von ihnen eine Chart-Liste erstellen, mit einigen »Hits«. Seit diesem Wochenende (wieder mal) an der Spitze: »Antisemitismus hat keinen Platz in Deutschland!«. Dass diese Aussage falsch ist, und auch immer falsch war, wissen wir seit langem –vielleicht sogar schon seit immer. Denn die Wirklichkeit ist eine andere. 

Am Freitagnachmittag entging ein Mann, der mit einem Davidstern durch einen Park lief, nur knapp dem Tod. Ein Kufiya-Träger beleidigte ihn als »Kindermörder«, der Davidstern um seinen Hals wurde dem Hakenkreuz gleichgesetzt und dann eskalierte der Täter: Er rannte mit gezogenen Messer auf den 60-Jährigen zu, bedrohte sein Leben. Nur das entschlossene Eingreifen– mit gezogener Waffe – der herbeigerufenen Polizei rettete den Mann vor dem Messerträger.  

Am Samstag musste eine Kundgebung, auf der an die entführten Geiseln erinnert und deren Freilassung gefordert wurde, aufgelöst werden, weil die Polizei die Sicherheit der Teilnehmer nicht gewährleisten konnte.  

Denn kurz danach zog eine Demonstration von Mullah-, Taliban- und Hamas-Freunden durch das Regierungsviertel, deren Teilnehmer keine Probleme mit antisemitischen Transparenten, den roten Dreiecken der Hamas oder Fahnen der menschenverachtenden Regime im Iran und in Afghanistan hatten. Selbstredend wurde dort Israel dämonisiert und zu dessen Vernichtung aufgerufen. Interventionen seitens der Demo-Verantwortlichen gegen Judenhass? Fehlanzeige.  

Stimmen, die sich für einen Frieden zwischen Israel und Palästina, für die Freilassung aller Geiseln, die von der Hamas immer noch Gaza festgehalten werden oder für Menschen, die sich für Demokratie und Freiheit im Iran einsetzen, waren nicht zu hören.   

Hingegen wurde den Frauen und Männern, die im September 2022 im Iran: »Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit« riefen, regelrecht ins Gesicht gespuckt – ebenso wie allen Opfern islamistischer Gewalt.  

Die Polizei teilte mit, dass es zu »49 Festnahmen, unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, tätlichen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen gefährlicher Körperverletzung« kam. Aber scheinbar keine wegen Volksverhetzung.  

Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes lassen einen nur fassungslos zurück.

Lesen Sie auch

Ernüchternd bleibt festzuhalten, dass antisemitische Hetze sowie Vernichtungsphantasien gegen Juden und Israel anscheinend konsensfähig sind. Deshalb brauchen wir keine Beruhigungspillen – wie die eingangs zitierten Statements –, sondern Maßnahmen, die greifen. 

Der Autor ist Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Meinung

Die Folgen wären fatal - auch für uns

Warum der Ausschluss Israels aus »Horizon Europe« ein Fehler wäre und Deutschland mit Nein stimmen sollte

von Carsten Ovens  04.08.2025

Meinung

Linke Solidarität und das Bedürfnis, im richtigen Club zu spielen

Die deutsche Linke ist bemerkenswert selektiv: Während sie der Ukraine zu Recht ihre Souveränität zubilligt und den russischen Angriffskrieg verurteilt, scheint für Israel ein anderes Regelwerk zu gelten

von Serdar Somuncu  01.08.2025

Katar

Strategische Geduld

Der Einfluss des kleinen Emirats am Persischen Golf nimmt zu - vor allem durch seine Milliarden-Investionen im Westen

von Jacques Abramowicz  31.07.2025

Kommentar

Wenn die Justiz Hochachtung vor einer Israel-Hasserin hat

Ein Richter hat Yasemin Acar zu einer Geldstrafe verurteilt - die Aktivistin aber auch gleichzeitig für ihr Engagement gelobt. Das ist politische Justiz, die keinen Frieden stiftet

von Patrick Heinemann  31.07.2025

Meinung

Was ist mit dieser Fahne los?

Warum die Palästinenserfahne symbolisch so aufgeladen ist und nicht nur für einen Palästinenserstaat, sondern auch für Antizionismus steht. Ein Erklärungsversuch

von Nicole Dreyfus  30.07.2025

Kommentar

Frau von der Leyen, diese EU-Sanktion trifft die Falschen!

Der Vorschlag der EU-Kommission, israelische Start-ups vom Horizon-Programm auszuschließen, hilft den Palästinensern in Gaza herzlich wenig

von Michael Thaidigsmann  29.07.2025

Essay

Gaza, Israel und der Hunger

Jerusalem ist im Begriff, die Hamas militärisch zu besiegen. Den Krieg der Informationen und der Bilder aber hat die palästinensische Terrororganisation schon längst gewonnen – auch durch das Versagen westlicher Journalisten und Politiker

von Philipp Peyman Engel  31.07.2025 Aktualisiert

Kommentar

Unerwünscht, unsicher: Wie sich Israelis heute in Europa fühlen

Die Angriffe und Übergriffe gegen israelische Touristen mehren sich in Europa. Es steht schlecht um den Kontinent, wenn sich Juden nicht ohne Gefahr in der Öffentlichkeit zeigen können

von Alon David  28.07.2025 Aktualisiert

Essay

Habe ich noch einen Platz in der SPD?

Der Schoa-Überlebende Reinhard Schramm ist Sozialdemokrat. Doch seit dem 7. Oktober 2023 hadert er immer öfter mit seiner Partei. Nachdem führende SPD-Politiker Sanktionen gegen Israel gefordert haben, denkt er sogar über einen Austritt nach

von Reinhard Schramm  27.07.2025