Meron Mendel

Anne Frank als Identifikationsfigur

Meron Mendel Foto: picture alliance/dpa

»Die Verheerung muss schrecklich sein, ganze Straßenzüge liegen in Trümmern. Man hört von Kindern, die verloren in den schwelenden Ruinen ihre toten Eltern suchen. Mir läuft es noch kalt den Rücken hinunter, wenn ich an das dumpfe, dröhnende Donnern in der Ferne denke.«

Vor einigen Wochen waren diese Zeilen, die Anne Frank am 19. Juli 1943 nach der Bombardierung Amsterdams in ihrem Tagebuch notierte, für die meisten Jugendlichen in hiesigen Klassenzimmern sicher bewegend, aber primär historisch zu deuten.

kommentar Aber seit in Europa wieder Bomben fallen, klingen die fast 80 Jahre alten Worte wie ein Kommentar zur Nachrichtenlage. Jugendliche lesen sie, während auf ihren Smartphones Fotos des zerstörten Mariupol eingehen und sie neuen Mitschülerinnen und Mitschülern begegnen, die in den Trümmern bis vor Kurzem ihr Zuhause hatten.

Es ist diese Wandelbarkeit der Deutungszugänge, die mich am Tagebuch Anne Franks auch 75 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung immer wieder aufs Neue fasziniert.

Jede Generation schaut mit neuem Blick auf Annes Worte – und so rücken immer wieder andere Stellen des Tagebuchs in den Fokus und entfalten im Kontext aktueller Ereignisse Relevanz für das Leben junger Menschen. Ganz unabhängig davon, ob sie eine gedruckte Ausgabe in die Hand nehmen, sich Annes Geschichte über die Graphic Novel erschließen oder sich in TikTok-Videos damit auseinandersetzen.

Ihr Kampfgeist und Gerechtigkeitsempfinden inspirieren und bestärken Jugendliche in ihrem Bestreben, sich gegen Diskriminierung einzusetzen, für Menschenrechte und Frieden.

Dass Anne Frank eine Identifikationsfigur für junge Menschen ist, erleben wir regelmäßig, wenn Jugendgruppen zu uns ins kürzlich wiedereröffnete Lernlabor »Anne Frank. Morgen mehr.« kommen. Ihr Kampfgeist und Gerechtigkeitsempfinden inspirieren und bestärken Jugendliche in ihrem Bestreben, sich gegen Diskriminierung einzusetzen, für Menschenrechte und Frieden.

Und so, wie Anne Frank einst erschüttert war über Kriegsleid, zugleich aber gebannt die BBC-Nachrichten verfolgte im Bewusstsein darüber, dass es der militärischen Kräfte der Alliierten bedurfte, um Nazideutschland zu besiegen, so muss auch die heutige Generation Ambivalenzen aushalten und eine Haltung entwickeln zum russischen Angriffskrieg und zu anderen Konflikten unserer Zeit.

Der Autor ist Professor für transnationale Soziale Arbeit und Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main.

Kommentar

Der »Spiegel« ist nicht lernfähig

Deutschland dürfe »nicht erneut« zu Israels Angriffen schweigen, fordert Thore Schröder in einem Artikel. Wenn es um den jüdischen Staat geht, hat Realitätsverweigerung bei dem Hamburger Magazin System

von Ralf Balke  17.06.2025

Meinung

Die »Staatsräson« mit neuem Leben füllen

Umfragen zeigen, dass Israel hierzulande alles andere als beliebt ist. Dabei sollte allen Deutschen das Schicksal des jüdischen Staates am Herzen liegen - gerade angesichts der Bedrohung aus dem Iran

von Nikolas Lelle  16.06.2025

Kommentar

Der Öl-Preis muss fallen, damit die Mullahs stürzen

Wenn der Preis für Rohöl auf unter 10 US-Dollar fällt, gehen die Saudis nicht pleite, aber der Revolutionsführer Khamenei sehr wohl. Putin übrigens auch.

von Saba Farzan  16.06.2025

Iman Sefati

Warum viele Exil-Iraner Israel dankbar sind

»Viele Exil-Iraner sehen in diesen Angriffen nicht Krieg, sondern Hoffnung«, schreibt der Autor

von Iman Sefati  15.06.2025

Meinung

Israel verteidigt sich – und schützt die Region

Warum der Angriff auf iranische Atomanlagen notwendig war – und was Europa daraus lernen muss

von Carsten Ovens  15.06.2025

Manifest zur Außenpolitik

Gilt das Versprechen der SPD auch für ukrainische Kinder?

Unser Gastautor wurde in der Ukraine geboren und ist Jude. Seit vielen Jahren ist er SPD-Mitglied. Das neue Manifest einiger Altvorderer zur Außenpolitik macht ihn wütend

von Igor Matviyets  13.06.2025

Meinung

Die Menschen im Iran sind Israel dankbar

Der jüdische Staat hat durch seine Luftangriffe den Iranern die Chance gegeben, die islamistische Diktatur in Teheran endlich loszuwerden. Das ist eine historische Gelegenheit

von Saba Farzan  13.06.2025

Schlag gegen Iran

Ein notwendiger Schritt

Israel hat alles Recht der Welt, sich gegen das iranische Atomprogramm zu wehren. Teheran darf niemals in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Ein Kommentar von Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  13.06.2025

Meinung

Präventivschlag gegen eine existenzielle Bedrohung

Irans Atomprogramm verfolgt keine friedlichen Ziele. Nach dem Scheitern der diplomatischen Bemühungen ist Israels Angriff gerechtfertigt

von Ulrike Becker  13.06.2025