Meinung

Angriffe auf Israels Norden: Die Welt schaut weg

Ein von einer Hisbollah-Rakete getroffenes Haus in Akko, im Norden Israels Foto: IMAGO/Xinhua

Ich heiße Alon. Ich bin in Deutschland aufgewachsen. 2011 bin ich nach Israel ausgewandert und habe hier zwei Jahre in der Armee gedient. Seitdem lebe ich im Norden des Landes, im Kibbuz Dan. Wenn ich aus dem Fenster meines Hauses sehe, blicke ich direkt auf den Libanon. Und die Hisbollah blickt auf mich.

Am 7. Oktober 2023 hat sich das Leben für alle in Israel schlagartig geändert. Während zunächst alle Augen auf den Süden des Landes gerichtet waren, wurde dem Norden Israels lange Zeit kaum Beachtung geschenkt. So erstaunt und schmerzt es mich, wie wenig die Menschen in Deutschland über unsere Lebensrealität im Norden tatsächlich wissen.

Im Schatten des Krieges in Gaza konnte die Hisbollah, die als schwer bewaffnete Terrororganisation im Süd-Libanon weniger als 2 Kilometer von meinem Zuhause entfernt sitzt, elf Monate lang unsere Ortschaften mit Raketen und Drohnen angreifen und fast 100.000 Israelis dazu zwingen, ihre Häuser zu verlassen. Doch die Weltgemeinschaft sieht nicht hin, sie verschließt hartnäckig die Augen.

Lesen Sie auch

Seit einigen Monaten versuche ich als Freiwilliger, mit deutschsprachigen Journalisten und Bloggern, die in Israel sind und von hier berichten wollen, in den Norden zu fahren und ihnen zu zeigen, was hier passiert. In meinen Augen wird nach wie vor sehr einseitig in Deutschland darüber berichtet. Die Gefahr, die von der Hisbollah ausgeht, wird verharmlost und manchmal sogar geleugnet.

Ständiger Beschuss durch die Hisbollah

Um den Krieg zu verstehen, muss man aber wissen, was Israelis hier im Norden seit fast einem Jahr tagtäglich erleben. Unzählige Häuser sind direkt getroffen und in Schutt und Asche verwandelt worden. Ich habe Freunde, die Angehörige verloren haben, deren Häuser zerstört sind, die mit der ganzen Familie zum dritten Mal umziehen mussten, die seit Monaten in Hotels in Haifa oder Tel Aviv leben und deren Kinder am 1. September in fremder Umgebung zur Schule gehen mussten.

Ein Freund von mir wurde mit seiner Frau im Auto fast von einer ferngesteuerten Rakete getroffen, nur wenige Meter vor der Frontscheibe seines Autos entfernt. Zum Glück hatte er in letzter Sekunde den Rückwärtsgang eingelegt.

Unser Gastautor lebt im Kibbuz Dan nahe der libanesischen GrenzeFoto: Sarah Maria Sander

Leider ist das Verharmlosen und Relativieren in diesem Krieg gang und gäbe. Das hat fatale Konsequenzen für das Leben und die Sicherheit der Menschen in Israel.

Denn der Terror geht nach wie fast ungehindert weiter. Der Einsatz der vom iranischen Regime finanzierten präzisionsgesteuerten Kampfdrohnen hat es der Hisbollah ermöglicht, die Zerstörung unserer Ortschaften effizient und planmäßig voranzutreiben.

Als mich Ende August ein guter Freund aus dem Nachbarort anrief und erzählte, er habe vor seiner Haustür den Motor einer Kampfdrohne gefunden, auf der »Made in Germany« stehe, wollte ich herausfinden, wie es möglich sein kann, dass deutsche Technik in die Hände von Terroristen gelangen konnte. Mithilfe der Aufschrift auf dem Motor fand ich die Telefonnummer des Geschäftsführers einer Firma in Hanau heraus, die diese Motoren herstellt.

Lesen Sie auch

Mich überraschte die trockene Unverblümtheit des Geschäftsführers. Ihn beunruhigte nicht etwa, dass ein Motor seiner Firma in einer Terror-Kampfdrohne verbaut worden war, die fast meinen Freund getötet hätte. Nein, ihn ärgerte, dass ich ihn an einem Sonntag auf seiner privaten Nummer angerufen hatte.

Es ist leider bittere Realität, dass deutsche Motoren in vielen anderen Drohnen von Terrororganisationen verbaut sind, auch wenn das Auffinden und Identifizieren dieser Bauteile ein langwieriger Prozess ist.

Wichtig zu verstehen ist auch, dass deutsche Bauteile nicht nur gegen Israel in Kriegen Verwendung finden. Nach meiner Recherche und anderen Artikeln zum Thema wurden solche Motoren bereits von Russland im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt und auch von den Huthi im Jemen.

Deutschland muss Verantwortung übernehmen

Dass ein Unternehmer in Hanau nicht absichtlich Hisbollah-Terroristen beliefert und bei Kaffee und Kuchen neue Motoren zum Verkauf anbietet, ist mir auch klar. Darum geht es nicht.

Es geht um etwas anderes. Was für Hobbyzwecke konzipiert, entwickelt und auf den Markt gebracht wird, muss im Hobby-Bereich bleiben. Es kann und darf nicht Terroristen in die Arme fallen. Diese Produkte müssen in Deutschland als Dual-Use-Produkte gekennzeichnet werden und besser kontrolliert werden. Es kann nicht sein, dass Terror gegen Israel durch deutsche Technik unterstützt wird.

Ein großer und wichtiger Schritt wäre es, wenn Deutschland Israel jetzt zeigen würde: Unsere Exporte dürfen nicht Terroristen in die Hände fallen! Und wenn es doch passiert, ob bewusst oder unbewusst, übernehmen wir Verantwortung und handeln entsprechend. So könnte man verlorenes Vertrauen in Israel wiederherstellen.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Palästinensischer Terror

Auch Hamas-Geisel Guy Gilboa-Dalal wurde in Gaza sexuell missbraucht

Der Täter setzte ihm ein Messer an den Hals und sagte: »Wenn du jemandem davon erzählst, bringe ich dich um«

 21.11.2025

Tourismus

Totes Meer: »Enttäuschende Sehenswürdigkeit«

Warum bekommt ein so schöner Ort eine so miese Bewertung? Welche Touristenorte stehen noch auf der wenig ruhmreichen Liste der enttäuschendsten Urlauberziele auf der Welt?

 21.11.2025

Jerusalem

Gideon Sa’ar verurteilt steigende Terror-Renten der Palästinenser

»Die Palästinensische Autonomiebehörde hat ihre Zahlungen an Terroristen nicht eingestellt. Tatsächlich verdoppelt sie diese fast«, so der Außenminister

 21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jerusalem

US-Botschafter: Radikale Siedler nicht repräsentativ für gesamte Gemeinschaft

US-Botschafter: Israel nimmt das Problem ernst und dämmt die gewalttätigen Gruppen ein

 21.11.2025

Geiseln

»Alon – du bist nicht allein«

Der israelisch-deutsche Doppelstaatsbürger Alon Ohel spielt auf dem Klavier, das eigens auf dem Platz der Geiseln für ihn aufgestellt wurde

von Sabine Brandes  20.11.2025

Gaza-Gefangenschaft überleben

»Wut zerstört dich«

Der nach mehr als zwei Jahren aus der Hamas-Gefangenschaft entlassene Avinatan Or hat eine zutiefst bewegende und motivierende Rede über Resilienz gehalten. Eine Dokumentation

von Avinatan Or  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025