Joshua Schultheis

AfD-Parteitag: Schreckliche Normalität

Von zwei lieb gewonnenen Annahmen über die AfD müssen wir uns verabschieden. Erstens: Diejenigen, die ihre Stimme der Rechtsaußen-Partei geben, tun dies längst nicht mehr nur aus Protest. Die Meinungsforschung zeigt, dass etwa zwei Drittel der AfD-Wähler Überzeugungstäter sind. Sie begeistern sich für die Inhalte einer Partei, die mittlerweile von Rechtsextremen dominiert wird.

Die AfD hat eine stabile Wählerbasis, die ihr so schnell nicht wieder streitig gemacht werden kann.

Zweitens: Die AfD ist nicht mehr die Chaospartei, die sie lange Zeit gewesen ist. Auf ihrem Treffen in Essen hat sie die Zeiten, in denen Vorsitzende mit Schimpf und Schande vom Parteitag gejagt wurden, vorerst hinter sich gelassen. Die internen Konflikte wurden im Voraus hinter den Kulissen ausgetragen.

In der Essener Grugahalle konnte man sich dann ganz einträchtig geben: Die beiden wiedergewählten Parteivorsitzenden nannten sich »mein geliebter Tino« und »meine geliebte Co-Sprecherin«.

Lesen Sie auch

Bei so viel ostentativer Harmonie kann es einen schon mal gruseln. Vor allem darf man sich von ihr aber über eines nicht hinwegtäuschen lassen: Die AfD mag sich zwar professionalisiert haben, weniger radikal ist sie keineswegs geworden.

So wünschte sich Alice Weidel in ihrer Parteitagsrede »ein zweites 1989« für Deutschland. Die BRD als ein System, das wie die DDR-Diktatur abgeschafft gehört? Das AfD-Vorstandsmitglied Stephan Brandner forderte die Bürger auf, »Stimmzettel zu Haftbefehlen« zu machen. Politische Gegner ins Gefängnis werfen? Mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hat das nichts zu tun.

Wer bisher hoffte, die AfD würde sich irgendwann selbst zerlegen oder man könne eine große Mehrheit ihrer Wähler für die Demokratie zurückgewinnen, muss dringend umdenken. In Deutschland ist die Präsenz einer etablierten rechtsextremen Partei zur schrecklichen Normalität geworden.

Diese Einsicht muss künftig Grundlage für den Umgang mit der AfD sein. Denn für diesen braucht es jetzt dringend neue Rezepte.

schultheis@juedische-allgemeine.de

Tobias Kühn

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Meinung

Die Schönwetterfreunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025