Gespräch

»Wo gibt es noch Winnetous?«

Artur Brauner über die Karl-May-Filme der 60er und das deutsche Kino heute

von Ulrich Stolte  02.01.2013 10:23 Uhr

Artur Brauner Foto: Stephan Pramme

Artur Brauner über die Karl-May-Filme der 60er und das deutsche Kino heute

von Ulrich Stolte  02.01.2013 10:23 Uhr

Herr Brauner, vor 50 Jahren, im Dezember 1962, kam mit »Der Schatz im Silbersee« der erste Karl-May-Film ins Kino. Wie viele Karl-May-Filme haben Sie insgesamt gemacht?
Sieben Stück. Die Orient-Filme, die Mexiko-Filme und zwei Winnetou-Filme.

Diese Filme waren das, was man heute Blockbuster nennt. Was war das Erfolgsrezept?
Die Bücher, die verschlungen worden sind. Von Groß und Klein. Ich habe schon mit sieben oder acht Jahren die Karl-May-Bücher gelesen. Er war in ganz Osteuropa genauso populär wie hier. Nicht in Westeuropa komischerweise.

Bei Karl May wird die Überlegenheit des Deutschen betont. Hat man das in Osteuropa nicht als befremdlich empfunden?
Nein, weil der Held fremde Namen trägt wie Old Shatterhand oder Kara ben Nemsi.

Könnte man heute noch einen Karl-May-Film drehen?
Er wäre dreimal so teuer wie damals. Es fehlen auch die Regisseure dafür. Harald Reinl oder Alfred Vohrer, die waren geeignet, weil sie mit dem Herzen dabei waren. Und zweitens: Suchen Sie einen Winnetou! Ein richtiger Winnetou war der Sohn von Bruce Lee. Er starb leider bei einem Unfall.

Und Lex Barker alias Old Shatterhand?
Er war ein netter Schauspieler. Das heißt, er wusste, er kommt in den USA nicht aus den B-Filmen raus. Hier hat er es geschafft. Er war auch als Mensch sehr angenehm.

Horst Wendlandt hat Ihnen später die Winnetou-Stoffe weggeschnappt. Wie fanden Sie das?
Als Produzent muss man auf alles vorbereitet sein. Jeder nimmt dem anderen was weg, wenn er kann. Und wenn man einen neuen Job annimmt, muss ein »Geschenk« mitgebracht werden.

Wie war Ihr Verhältnis zu Wendlandt?
Das Verhältnis? Am Anfang, als er noch nicht so einen Höhenflug hatte, da war es sehr gut, freundschaftlich. Er war immerhin sechs, sieben Jahre bei mir. Er war doch Russe eigentlich, ein Findelkind. Danach hat er geglaubt, er ist der liebe Gott. Alle, die bei ihm mitgearbeitet haben, haben mir erklärt, das war nicht auszuhalten mit ihm. Nach vier Flops über zehn Millionen war er wieder ruhiger und menschlicher.

Bei den Dreharbeiten zu »Durchs wilde Kurdistan« haben Sie die Pferde weiß angestrichen. Wieso das?
Wir hatten die Pferde von sieben Brüdern geliehen. In der Mitte der Dreharbeiten haben sie gesagt, sie bräuchten mehr Geld. Das war reine Erpressung. Mit denen konnte man nicht reden. Die Guten hatten weiße Pferde und die Bösen schwarze, und sie sollten sich zu einer Riesenschlacht treffen. Also drehten wir erst die Seite mit den schwarzen Bösen, dann strichen wir die Pferde mit Gips weiß und drehten die andere Seite.

Warum haben Sie das Drehbuch zum »Schatz der Azteken« sieben Mal umschreiben lassen?
Weil die Dialoge nicht gut waren oder die Szenen, die Konflikte nicht stark genug. Das gute Drehbuch ist der Garant für einen guten Film.

Woran erkennt man ein gutes Drehbuch?
Wenn man es nicht weglegt, wenn man es bis zu Ende liest. Wenn von A bis Z alles stimmt, die Dialoge, die Charaktere, die Konflikte, vom Thema her, es muss alles stimmen. Ich habe sehr viel Geld ausgegeben für Drehbücher, Millionen. Ein Drehbuch, wenn es einigermaßen zufriedenstellend ist, kann man mithilfe des Regisseurs und des Autors in eine endgültige Fassung bringen, und es entsteht dann ein Film, den man verantworten kann. Super Drehbücher gibt es selten. Sie sind so schwer zu finden wie ein weißblauer Diamant.

Ein Film braucht seinen Star. Wie »macht« man den?
Man merkt, dass er eine Ausstrahlung hat. Es gibt sehr gute Schauspieler, die auf der Bühne großartig sind, aber nicht für Film geeignet. Es gibt Schauspieler, die eine Ausstrahlung haben, eine physische oder eine erotische. »Ich bin kein großer Schauspieler«, hat Curd Jürgens gesagt, »aber ich wirke.« Ich finde, dass jeder große Schauspieler etwas haben muss, ein besonderes Gen, etwas, das nicht normal ist. Kirk Douglas als Mann, Marilyn Monroe als Frau.

Deutschland war einst ein großes Filmland. Wie hat es den Anschluss an Hollywood verloren?
Es hat ihn ja noch nie besessen. In den 70er-Jahren hat man gesagt, Papas Kino ist tot. Das ist doch ein Witz. Da kann man auch sagen, das Kunstkino ist tot. Da ist doch nichts geblieben von den 68ern, gar nichts. Das war ein Strohfeuer. Die Kritiker haben sich überschlagen. Einen sehr guten Komödienregisseur wie Kurt Hoffmann, den haben sie abgekanzelt in sechs Zeilen, der ist verbittert gestorben. Fritz Lang hat gesagt, ich will nicht mehr dieses Land betreten.

Sind die deutschen Kritiker besonders hart?
Leider. Am Anfang habe ich mich geärgert über die Kritik. Dann bin ich übergegangen zu Interesselosigkeit. Aber sachliche, professionelle Kritik ist wichtig.

Wie bekommt man Kritiker auf seine Seite?
Indem man tatsächlich gute Filme macht. Aber es macht keinen Sinn, heute Filme zu drehen. Jeder, der das heute versucht, tut es nur, weil er hofft, dass er wie beim Lotto das Spitzenlos gewinnt.

Was sehr unwahrscheinlich ist.
Von 100 Filmen in letzter Zeit haben nur drei die Kosten eingespielt. Der Rest war Verlust.

Die Amerikaner können aber mit Filmen eine Menge Geld verdienen.
Die Amerikaner haben die ganze Welt durch ihr Vertriebsnetz, und was haben wir? Wir haben gar nichts. Mir hat ein amerikanischer Produzent gesagt: Wenn wir »Hitlerjunge Salomon« gemacht hätten, hätte er 40 Millionen eingespielt. Die haben die besten Kräfte aus aller Welt. Wenn man die Besten hat, kann man das Beste liefern. Wer kann einen Schwarzenegger bezahlen, wer kann einen Stallone bezahlen und Filme in einer Größenordnung von 30 bis 150 Millionen Dollar produzieren?

Das Gespräch führte Ulrich Stolte.

Artur »Atze« Brauner wurde am 1. August 1918 im polnischen Lodz geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er seine Firma CCC-Film und wurde zu einem der erfolgreichsten Filmproduzenten der Bundesrepublik. In vielen seiner Filme beschäftigte er sich mit der NS-Zeit.

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024