Serie

»Wir waren ein perfect Jewish match«

Schauspielerin Natalie Portman (l.) und Regisseurin Alma Har’el lernten sich am Set von »Lady in the Lake« kennen. Foto: Courtesy of Apple

Geboren 1975 in Tel Aviv, begann Alma Har’el ihre Karriere zunächst als Videojockey und Fotografin, bevor sie sich als Regisseurin von Musikvideos und Dokumentarfilmen etablierte. Für ihren ersten Spielfilm Honey Boy wurde sie 2019 unter anderem von der US-amerikanischen Regie-Gewerkschaft ausgezeichnet. Nun legt die Israelin, die seit vielen Jahren in den USA lebt, mit Lady in the Lake ihre erste Serie vor. Die Romanadaption, die seit dem 19. Juli bei AppleTV+ zu sehen ist, handelt von einer jüdischen Hausfrau in den 60er-Jahren in Baltimore, die Mann und Sohn verlässt, um sich den lang gehegten Traum von einer journalistischen Karriere zu erfüllen, und erst in den Fall eines verschwundenen Mädchens und schließlich einer toten Barfrau verwickelt wird.

Frau Har’el, auf den ersten Blick würde man denken, das Leben einer israelischen, in den USA lebenden Filmemacherin und das einer jüdisch-amerikanischen Hausfrau in den 60er-Jahren haben nicht viel gemeinsam. Haben Sie trotzdem Parallelen zwischen sich und der von Natalie Portman gespielten Protagonistin in Ihrer Serie »Lady in the Lake« entdeckt?
Für mich ist Maddie eine enorm spannende und letztlich auch ungewöhnliche Serienheldin, weil sie unglaublich komplex und widersprüchlich ist. Man kann sich mit ihr identifizieren, aber sie auch hassen. Sie ist jemand, der schwere Verletzungen und Traumata mit sich trägt und darin enorm authentisch ist. Aber sie verhält sich eben oft auch haarsträubend und bewegt sich ziemlich unsensibel, weil um sich selbst kreisend, durch die Welt. Ich selbst halte mich nun für hoffentlich sehr viel weniger naiv. Diese Dualität ihrer Existenz kenne ich allerdings durchaus aus meinem eigenen Leben.

Das müssen Sie ein wenig ausführen.
Als aschkenasische Jüdin eine Einwanderin in den USA zu sein, birgt einen mitunter kaum aushaltbaren Zwiespalt in sich. Einerseits bin ich mit vererbtem Trauma aufgewachsen: Meine Großmutter hat alle ihre Geschwister im Holocaust verloren. Opfer und verfolgt zu sein, das ist ein Teil meiner Identität. Außerdem habe ich natürlich auch selbst Antisemitismus erlebt. Aber die Unterdrückten können auch gleichzeitig Unterdrücker sein, und in den USA wurde mir sehr bewusst, dass ich eben auch eine weiße Frau bin, die privilegierter ist als viele meiner Mitmenschen, und der Möglichkeiten offenstehen, die anderen verwehrt bleiben. Ich bin mir dieser Situation sicherlich bewusster als Maddie, die in »Lady in the Lake« so sehr mit ihrer Selbstfindung beschäftigt ist, dass sie gar nicht mitbekommt, wie zum Beispiel die Situation schwarzer Frauen wie der von Moses Ingram gespielten Cleo ist. Aber diese innere Widersprüchlichkeit ist mir nur zu vertraut.

Was machte für Sie Natalie Portman zur idealen Hauptdarstellerin?
Sie hatte die Rolle bereits, als das Drehbuch von »Lady in the Lake« in einem frühen Entwicklungsstadium vor dreieinhalb Jahren auf meinem Tisch landete. Man war auf der Suche nach einer Regisseurin, mit der Natalie gerne zusammenarbeiten würde. Und ich war begeistert von der Vorstellung, mit ihr zu kollaborieren. Dass wir zusammenfanden, erwies sich dann als »perfect Jewish match«, um es einmal so zu sagen. Erst hatte ich gehörigen Respekt, schließlich hat sie schon mit einigen der größten Filmschaffenden der Welt zusammengearbeitet. Aber wir harmonierten wirklich hervorragend, auch weil es für uns beide das erste Mal war, dass wir eine Geschichte mit so vielen spannenden Themen nicht nur in einem Film, sondern über sieben Stunden als Serie ausloten konnten. Und ich brauchte für diese schwierige, komplexe Frauenfigur natürlich eine Ausnahmeschauspielerin wie Natalie, die mutig und risikobereit ist, aber eben auch die Bandbreite hat, dem variierenden Tonfall der Geschichte gerecht zu werden.

Portman ist nicht nur selbst jüdisch, sondern hat diverse Vorfahren, die aus Osteuropa nach Baltimore auswanderten, wo »Lady in the Lake« spielt. Die zweite Hauptdarstellerin Moses Ingram stammt sogar aus Baltimore. War so viel Authentizität bei der Besetzung für das Gelingen der Serie entscheidend?
Eigentlich bin ich bei solchen Fragen ziemlich undogmatisch, denn ich vertraue auf die Macht der Vorstellungskraft. Sich von sich selbst zu lösen, Identitäts- und sogar Gender-Grenzen zu sprengen und sich spielerisch und mit Haut und Haar auf das Unbekannte einzulassen, gehört für mich zwingend zur Schauspielerei und überhaupt zum kreativen Arbeiten dazu. Weil für die Geschichte von »Lady in the Lake« die Stadt Baltimore als Setting eine so große Rolle spielt, war in diesem Fall der Bezug der beiden Schauspielerinnen zu diesem Ort aber ein Geschenk, das der Serie eine zusätzliche Wahrhaftigkeit verlieh. Moses trug mit ihrer Herkunft entscheidend dazu bei, die Figur der Cleo lebendig werden zu lassen. Und auch Natalie war inspiriert davon festzustellen, wie viel erweiterte Familie ihrer Großeltern-Generation tatsächlich in Baltimore lebte und dort begraben ist.

Wo wir gerade bei der Wahrhaftigkeit sind: Zum Autoren-Team der Serie gehören nicht nur Ihr Ex-Ehemann Boaz Yakin, sondern auch einige Afroamerikanerinnen. Wie haben Sie sich Ihre Mitstreiterinnen zusammengestellt?
Nicht zuletzt, weil wir die Figur der Cleo im Vergleich zur Romanvorlage deutlich ausbauten, war für mich vollkommen klar, dass ich die Serie nicht allein schreiben kann. Ich wusste, dass Boaz und ich die Richtigen waren, um authentisch die jüdische Lebenswelt der Geschichte einzufangen. Aber mir war wichtig, dass wir mit dem gleichen Anspruch eben auch die Realität der schwarzen Figuren einfangen. In »Lady in the Lake« werden so viele vielschichtige Fragen zu Identität und Sexualität, Gewalt und Religion verhandelt, dass eine einseitige Sichtweise keine Option war. Ich fand vier spannende Autorinnen, die alle sehr unterschiedliche und persönliche Erfahrungen – als Frauen wie als Autorinnen – mitbrachten. Ohne sie und unsere intensiven Diskussionen hätte ich nie alle Facetten dieser Geschichte glaubhaft auf den Bildschirm holen können.

Mit der Regisseurin sprach Patrick Heidmann. Die Serie »Lady in the Lake« läuft beim Streamingdienst Apple TV+.

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025