Man kann es kaum glauben, dass es bereits 25 Jahre her ist, als die ersten Juden in der kollabierenden Sowjetunion ihre Koffer packten und nach Deutschland kamen.» Mit diesen Worten leitete am Mittwoch Doron Kiesel, Wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden, eine dreitägige Tagung in Berlin ein, die sich mit den Folgen und Perspektiven der russischsprachig-jüdischen Zuwanderung beschäftigt.
«Eines kann mit Sicherheit gesagt werden: Sie bedeutete eine tiefgreifende Zäsur für das jüdische Leben in Deutschland und veränderte es grundlegend», so der in Erfurt lehrende Professor für Interkulturelle Erziehung. Wie bereits der Titel der Tagung «Wer integriert hier wen?» zum Ausdruck bringt, stellte die Einbeziehung so vieler Menschen in die hiesigen Gemeindestrukturen in relativ kurzer Zeit alle Beteiligten vor große Herausforderungen, die sie nachhaltig prägen sollten.
chancen Denn reibungslos ging das Ganze natürlich nicht über die Bühne. Wie die Konflikte genau aussahen und welche Chancen sich daraus ergaben, diesen Fragen wollen Experten, Vertreter aus rund 50 Gemeinden und zahlreiche interessierte Gäste auf der Veranstaltung nun näher auf den Grund gehen.
«Der Beginn der Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion setzte zeitgleich mit dem Prozess der deutschen Einheit ein, die sich dieses Jahr ebenfalls zum 25. Male jährt», bringt es Hans-Joachim Aris, Vertreter des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden Sachsens auf den Punkt. «Beides war für uns Juden auf jeden Fall eine Erfolgsgeschichte und eine gewaltige Integrationsleistung.»
wende Aris weiß, wovon er spricht. «Zählten die sieben Gemeinden in der DDR – ohne Ost-Berlin – vor der Wende gerade einmal 187 Mitglieder, so sind es heute knapp 8000.» Und das, obwohl in Ostdeutschland so gut wie keine jüdische Infrastruktur vorhanden war. «Für uns ergab sich aus der Zuwanderung russischer Juden nicht nur eine riesige Chance für den Fortbestand, sondern auch die Möglichkeit, den Gedanken der jüdischen Schicksalsgemeinschaft mit neuem Leben zu füllen.»
Über die positive Resonanz auf das Tagungsthema freute sich vor allem Sabena Donath, Leiterin der Bildungsabteilung. «Dabei ist es egal, ob wir von Russen, Juden, Alteingesessenen oder Zuwanderern sprechen.» Für die Psychologin und Erziehungswissenschaftlerin sind diese Begriffe falsch und richtig zugleich, aber für drei Tage werden sie wohl die Diskussionen prägen – «auf diesem Klassentreffen der russisch-jüdischen Integration».