Digitale Kunsthalle

»Wenn ich untergehe, lasst meine Bilder nicht sterben«

Blick in die virtuellen Ausstellungsräume Foto: ZDF Digital, Patrick Pees

Er sei ein begabter Kerl, habe ganz das Zeug, zu einer eigenen Art zu kommen, schrieb 1929 der Kunstkritiker Paul Westheim über den damals 25-jährigen Maler Felix Nussbaum. Was er damit meinte, können Interessierte jetzt in der Digitalen Kunsthalle des ZDF herausfinden.

Kontext 40 Exponate sind in der virtuellen Ausstellung Felix Nussbaum – Leben und Werk zu sehen. Per Mausklick können Besucher Zusatzinformationen abrufen, die die Gemälde in einen biografischen und zeitgeschichtlichen Kontext stellen. Ergänzt wird die Präsentation durch einen vom ZDF für dieses Projekt produzierten Dokumentarfilm: ein Porträt über Auguste Moses-Nussbaum, die heute 95-jährige Cousine des Künstlers.

Entstanden ist die Ausstellung in Kooperation mit dem Felix-Nussbaum-Haus im Museumsquartier Osnabrück. Seit Mai habe er mit der dort zuständigen Kuratorin Anne Sibylle Schwetter an dem Projekt gearbeitet, sagt ZDF-Redakteur Ralf Schmitz. »Weit über 100 Werke standen zur Verfügung, da musste eine Auswahl getroffen werden.« Außerdem waren Fragen zu Raum- und Hängekonzept zu entscheiden. In vier Raummodulen kann der Besucher nun erfahren, wer Felix Nussbaum war, was er gemacht hat und warum er gemalt hat.

FLUCHT Geboren 1904, entstammte er einer gutbürgerlichen Kaufmannsfamilie aus Osnabrück, die seine künstlerischen Ambitionen unterstützte. 1924 schrieb er sich für ein Studium in Berlin ein; bereits wenige Jahre später hatte er sich in der Kunstszene einen Namen gemacht.

Auf die erfolgreichen frühen Jahre folgten ein Dasein auf der Flucht und ein dramatisches, viel zu frühes Ende. 1932, Nussbaum hielt sich gerade als Stipendiat der Villa Massimo in Rom auf, wurden bei einem Brand in seinem Berliner Atelier sämtliche seiner bisherigen Werke vernichtet. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 beschlossen er und seine ebenfalls jüdische Lebensgefährtin Felka Platek, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Über die Schweiz und Frankreich gelangten sie 1935 nach Belgien.

Beharrlich malte er weiter: eindringliche Selbstporträts und Figurendarstellungen, anspielungsreiche Stillleben und geheimnisvolle Szenen.

Immer wieder ohne feste Bleibe, ohnmächtig angesichts der politischen Entwicklungen und weitgehend abgeschnitten vom Austausch mit Künstlerkollegen, ließ sich Nussbaum dennoch nicht in die Opferrolle drängen. Beharrlich malte er weiter: eindringliche Selbstporträts und Figurendarstellungen, anspielungsreiche Stillleben und geheimnisvolle Szenen.

Wie ein Tagebuch begleiten seine symbolisch aufgeladenen Werke das Leben im Exil und – nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1940 in Belgien – in einem Versteck. Sie erzählen von Angst und Selbstbehauptung. Am 20. Juni 1944 wurden Felix Nussbaum und Felka Platek aufgrund einer Denunziation verhaftet, am 31. Juli über das Sammellager Mechelen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

NACHLASS Das Felix-Nussbaum-Haus beherbergt heute die weltweit größte Sammlung des Künstlers. Auguste Moses-Nussbaum sorgte dafür, dass sein Nachlass 1970 aus Belgien in seine Heimatstadt verbracht wurde. Das sei keine einfache Entscheidung gewesen, sagt Ralf Schmitz. Wären die Werke in Israel womöglich besser aufgehoben? Die Cousine befinde sich deshalb bis heute im Zwiespalt.

»Wenn ich untergehe, lasst meine Bilder nicht sterben – zeigt sie den Menschen«, soll Felix Nussbaum einmal gesagt haben. Die Digitale Kunsthalle kommt diesem Wunsch nun nach. Ortsunabhängig hat jeder die Möglichkeit, das Leben und Werk Felix Nussbaums kennenzulernen, einzutauchen in seine ausdrucksstarken Gemälde, in denen Kunsthistoriker Elemente des Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit und des Surrealismus ausmachen.

Mindestens acht Wochen werde die Ausstellung online sein, sagt Ralf Schmitz, »eine Verlängerung ist wahrscheinlich«. Nussbaum habe bisher wenig im Fokus der Öffentlichkeit gestanden, das könne sich jetzt ändern. Zu wünschen wäre es, denn seine bewegende Geschichte und seine künstlerischen wie historisch wertvollen Gemälde sind aktuell und brisant.

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert