Assaf Gavron

Weltregierung und Einsamkeit

Assaf Gavron

Weltregierung und Einsamkeit

Erfrischend, erstaunlich, spannend: Zwei neue Erzählungen des israelischen Autors

von Maria Ossowski  28.03.2025 10:47 Uhr

Israel in 40 Jahren. Ein lockerer Staatenverbund im Nahen Osten. Frieden. Ein universeller Basislohn für alle, mietfreies Wohnen, kostenlose Freizeitangebote. Finanzielles Vermögen und der Erwerb von Immobilien sind zugunsten der allgemeinen Zufriedenheit begrenzt. Die künstliche Intelligenz nutzt jenen, die sonst nie die gläserne Decke zu einem sorgenfreien Leben durchstoßen hätten.

Sorgenfrei? Mitnichten. Was im Gegensatz zur momentanen Situation wie ein Wunschtraum anmutet, entwickelt sich in den beiden Erzählungen des israelischen Bestsellerautors Assaf Gavron zur Dystopie, zum Albtraum mit elendem Ausgang in der ersten Geschichte »Everybody Be Cool« und einem märchenhaften Schluss mit miesem Nachgeschmack in seiner zweiten Erzählung »Zement«.

Gavron, 56 Jahre alt und in Jerusalem aufgewachsen, gehört zu den vielseitigsten Schriftstellern Israels. Beide Novellen entstanden während der Coronapandemie, aber vor dem 7. Oktober. Diese Katastrophe greift er auf in seinem überaus klugen Vorwort, das erklärt, warum er die Zukunftsvision wählte: »Während ich diese Sätze schreibe, befinden wir uns auf dem Höhepunkt eines Krieges: Geiseln wurden genommen und noch nicht freigelassen, jeden Tag sterben Palästinenser und Israelis (…) Niemand hat eine realistische Idee, mit welchen Mitteln ein Ende herbeigeführt werden könnte und wie die Region danach aussehen wird. Vor uns liegt also ein Feld, auf dem zwangsläufig alle möglichen Spekulationen gedeihen.«

So baut Gavron poetisch auf einen politischen und sozialen Frieden, eine Weltregierung, die beides steuert, »General Authority« genannt, und beschreibt zugleich das Unglück der Einzelnen. In der Geschichte »Everybody Be Cool« vereinsamt eine erfolgreiche junge Frau, die nur noch mit ihrem KI-Assistenten kommuniziert, Zeugin eines virtuellen Banküberfalls wird und in der Realität der computergesteuerten Polizeiarbeit im Gefängnis landet. Hacker haben ihr Portfolio verändert.

In »Zement«, spannend wie ein Krimi, geht es um die zentrale Frage, ob geschäftliche Konkurrenz und finanzieller Erfolg sinnstiftend sind oder eher Solidarität mit den Schwächeren und das Teilen des eigenen Vermögens. Wenn es keine Kultur des Kampfes mehr gibt und stattdessen zu viel Zeit, die keinem Zwang unterworfen ist: Geht es uns dann besser? Diese philosophischen Fragen durchziehen beide Erzählungen und ersetzen psychologische Tiefenbohrungen der Figuren. Das ist erfrischend, erstaunlich, spannend, ungewohnt und äußerst lesenswert.

Assaf Gavron: »Everybody Be Cool«, Aus dem Hebräischen von Stefan Siebers, Luchterhand, München 2025, 192 S., 20 €

Berlin

»Manchmal war ich einfach nur erschöpft«

Schon als Kind war Scarlett Johansson von »Jurassic Park« begeistert. Nun erfüllt sich ihr Traum, selbst Teil des Franchise zu sein – doch die Dreharbeiten waren anstrengender als gedacht

 23.06.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Reif, reifer, Reifeprüfung: Warum ich jedes Jahr Abitur mache

von Nicole Dreyfus  22.06.2025

Lesen!

Menahem Pressler

Ein Jugendbuch schildert das Jahrhundertleben des jüdischen Pianisten

von Maria Ossowski  22.06.2025

Aufgegabelt

Schoko-Babka

Rezepte und Leckeres

 22.06.2025

Literatur

Die Kunst, das Opfer und die Ministerin

In seinem Schlüsselroman nimmt Jonathan Guggenberger den Antisemitismus im Kulturbetrieb aufs Korn

von Ralf Balke  22.06.2025

Justiz

Dieter Hallervorden und Diether Dehm zeigen Kanzler Friedrich Merz wegen »Drecksarbeit«-Aussage an

Mit seiner Bemerkung zu Israels Angriff auf den Iran hat Kanzler Merz für viel Zustimmung und Ablehnung gesorgt. Nun sollte sich die Justiz damit beschäftigen, meinen einige

 20.06.2025

Medien

Enkel des »Weltbühne«-Gründers übt scharfe Kritik an Verleger Friedrich

Erst kürzlich hatte der Verleger der »Berliner Zeitung« die Zeitschrift »Weltbühne« wieder aufleben lassen. Nun erhebt der Enkel des jüdischen Gründers schwere Vorwürfe gegen ihn

 20.06.2025

TV-Tipp

Robert Lembke: Schikaniert wegen seines jüdischen Vaters

Wer war der Moderator Robert Lembke? 70 Jahre nach dem Start der legendären Quizsendung »Was bin ich?« fasziniert das Dokudrama »Robert Lembke – Wer bin ich?«. Ein Schatz in der ARD-Mediathek

von Gregor Tholl  20.06.2025

Ausstellung

Die Schocken-Show

Das Jüdische Museum Berlin ehrt den Unternehmer und Verleger Salman Schocken dank eines Stars der US-Literatur

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025