Berlin

Wechsel an der Spitze

Im Jüdischen Museum Berlin geht eine Ära zu Ende. Der langjährige Direktor W. Michael Blumenthal wird am 1. September die Amtsgeschäfte an den Judaisten Peter Schäfer übergeben.

Der 70-jährige gebürtige Mülheimer zählt zu den renommiertesten Experten für jüdische Studien weltweit und hatte nach Lehrtätigkeiten in Tübingen, Köln und an der Freien Universität Berlin bis zu seiner Emeritierung 2013 eine Professur für jüdische Studien an der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey inne. Neben Deutsch spricht er fließend Englisch, Hebräisch und Aramäisch und verfügt über vielfältige Kontakte in die jüdische Welt.

Von Princeton kennt ihn auch Blumenthal, der in den vergangenen 17 Jahren regelmäßig zwischen der Universitätsstadt und Berlin hin und her pendelte. Er wollte einen »bestmöglichen Nachfolger« für sich finden, sagte Blumenthal am Donnerstag. Als er hörte, dass Schäfer nach seiner Emeritierung wieder nach Berlin zurückkehren will, habe er »sofort zugriffen«.

Sponsoren Blumenthal wird seinem Nachfolger in den nächsten ein, zwei Jahren weiter als Berater zur Verfügung stehen. Dabei soll er Schäfer insbesondere mit seinen zahlreichen guten Kontakten in die Wirtschaft und zu US-Sponsoren des bundeseigenen Museums bekanntmachen. Ohne diese zugesagte Unterstützung Blumenthals hätte er den Job nicht gemacht, sagte Schäfer am Donnerstag. Er sei kein Museumsfachmann und die Fußstapfen seines Vorgängers seien »sehr groß«.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die zugleich Stiftungsratsvorsitzende des Museums ist, nannte die Berufung Schäfers eine »beglückende Personalie«. Sie sei beiden Männern sehr dankbar, dass sie das so »eingefädelt« haben, sagte Grütters. Der Museumsdirektor-Posten sei eine besondere Position, die nicht nach den sonst üblichen Verfahren im Öffentlichen Dienst besetzt werden dürfe.

Grütters würdigte auch Blumenthal als »Mann von Leidenschaft und Tatkraft«. Er habe in seiner 17-jährigen Tätigkeit Berlin und seiner Verbindung zur jüdischen Welt einen großen Dienst erwiesen.

In der Tat erwies sich Blumenthals Berufung zum Direktor des künftigen Museums 1997 als der große Glücksgriff. Der gebürtige Oranienburger, der mit seiner jüdischen Familie 1939 vor den Nazis nach Shanghai emigrieren musste und zwei Jahre später als Staatenloser in die USA kam, prägte mit seiner Weltläufigkeit und amerikanischen Lässigkeit das heute größte Jüdische Museum Europas maßgeblich.

Libeskind Im September 2001 wurde der Zick-Zack-Bau des US-Stararchitekten Daniel Libeskind in Berlin-Kreuzberg eröffnet. Von Anfang an ließ Blumenthal einen amerikanischen Geist in das Haus einziehen, den deutsche Museen so nicht kannten: freundlich, serviceorientiert, unabhängig. Das Personal ist jung und mindestens zweisprachig, wie auch die Ausschilderung in dem Haus. »Hier wird niemand angeschnauzt«, fasste Blumenthal einmal die Atmosphäre zusammen.

Auch inhaltlich ging Blumenthal mit seinem Mitarbeiterstab einen sehr eigenen Weg. Man wolle kein »Holocaust-Museum« sein, sondern ein Museum über 2.000 Jahre deutsch-jüdische Geschichte, betonte er immer wieder. Die Dauerausstellung führt auf leichte und manchmal geradezu heitere Weise durch die gemeinsame Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

»Das, was wir mitteilen, möchten wir da, wo es geht, auf unterhaltsame Weise tun«, erklärte einmal Blumenthals Stellvertreterin und Programmdirektorin Cilly Kugelmann das Konzept.

Man werde den Juden eher gerecht, wenn man ihre Geschichte nicht als Opfergeschichte erzähle, sondern als eine Geschichte von großer Kraft und Humor. Natürlich gab es auch immer wieder Kritik, jüdische Geschichte unterhaltsam aufzubereiten.

Bildungsakademie Ende 2012 zog in die gegenüberliegende ehemaligen Großmarkthalle die neue Bildungsakademie des Museums ein. Für sein Herzensprojekt hatte Blumenthal Sponsoren und Spender vor allem in seiner Heimat USA gewonnen. Mit dem Akademieprogramm zu Migration und Diversität soll sich nach seinem Willen das Museum in die deutsche Integrationsdebatte einmischen. »Wer, wenn nicht die Juden mit ihren jahrhundertelangen Minderheitserfahrungen, sind dazu in der Lage«, sagte er.

Diesen Teil seines Lebens seit 1997 werde er nicht vergessen, sagte Blumenthal am Donnerstag. Nach seiner Vertreibung aus Deutschland habe er jahrelang mit dem Land nichts mehr zu haben wollen. Heute könne er wieder sagen, er habe zwei Heimatorte: Princeton und Berlin. »Darauf bin ich stolz«, sagt er.

Konzerte

Yasmin Levy in München und Zürich

Die israelisch-türkische Künstlerin aus einer sephardischen Familie singt auf Ladino, bzw. Judäo-Spanisch, einer fast vergessenen Sprache

von Imanuel Marcus  15.01.2025

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  14.01.2025

Leipzig

»War is over« im Capa-Haus

Das Capa-Haus war nach jahrzehntelangem Verfall durch eine bürgerschaftliche Initiative wiederentdeckt und saniert worden

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

Krefeld

Gütliche Einigung über Campendonk-Gemälde

An der Einigung waren den Angaben nach die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), das Land NRW und die Kulturstiftung der Länder beteiligt

 13.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Mascha Kaléko

Großstadtdichterin mit sprühendem Witz

In den 20er-Jahren war Mascha Kaléko ein Star in Berlin. Die Nazis trieben sie ins Exil. Rund um ihren 50. Todestag erleben die Werke der jüdischen Dichterin eine Renaissance

von Christoph Arens  13.01.2025

Film

»Dude, wir sind Juden in einem Zug in Polen«

Bei den Oscar-Nominierungen darf man mit »A Real Pain« rechnen: Es handelt sich um eine Tragikomödie über das Erbe des Holocaust. Jesse Eisenberg und Kieran Culkin laufen zur Höchstform auf

von Lisa Forster  13.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  12.01.2025