Filmfestspiele Venedig

Warmlaufen für den Oscar

Regisseur Noah Baumbach (M.) mit Scarlett Johansson (2.v.r.) bei der Präsentation des neuen Films in Venedig Foto: imago

Es ist die gegenseitige Abhängigkeit von Filmen und ihren Stars, die Noah Baumbachs neuen Film Marriage Story prägt, der nun vom Streaminganbieter Netflix bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig präsentiert wird. Marriage Story stellt jene Sorte Film dar, die im Zeitalter der Blockbustersequels und Superhelden-Filme zunehmend aus dem Kino verdrängt werden. Es geht um ein ganz gewöhnliches Beziehungsdrama.

Baumbach schildert den Ablauf einer Trennung: Eben noch sitzen Nicole (Scarlett Johansson) und Charlie (Adam Driver) beim Mediator, um die Scheidung gütlich zu regeln. Sie haben einen achtjährigen Sohn zusammen und waren lange Jahre auch beruflich eng aneinander gebunden; sie spielte als Schauspielerin in der Theatertruppe, die er leitete.

SCHEIDUNG Ein paar Zeittakte später, Nicole ist zur Mutter nach Los Angeles gezogen, um dort eine Serie zu drehen, werden doch die Rechtsanwälte eingeschaltet, und es beginnt das schmerzhafte Ringen um Besuchszeiten, Geld und die Deutungshoheit dessen, was passiert ist.

Baumbachs Normalo-Geschichte ist gerade dadurch ergreifend, dass sie so modern, so zeitgemäß, so wenig überspitzt scheint.

Baumbachs Referenzen liegen auf der Hand: Ingmar Bergman und Woody Allen. Und trotzdem ist die Normalo-Geschichte gerade dadurch ergreifend, dass sie so modern, so zeitgemäß, so wenig überspitzt scheint. Die Komik überlässt er den Rechtsanwälten, die in herrlich revuehaften Auftritten von Laura Dern, Ray Liotta und Alan Alda verkörpert werden.

Seinem zentralen Ehepaar aber lässt er eine dazu noch um Gleichberechtigung ringende Würde. Nach dem Film mag man Scheidungsanwälte verachten, aber die Institution der Ehe, die Liebe, sieht Baumbach sehr viel weniger zynisch als seine Vorgänger. Mit ihren nuancenreichen und in ihrer Menschlichkeit berührenden Auftritten haben sich sowohl Adam Driver als auch Scarlett Johansson ganz oben auf der Liste der Oscar-Favoriten positioniert.

BRAD PITT Einer der US-amerikanischen Filme, die Venedig als Startrampe für die Oscar-Kampagne nutzen, ist Brad Pitts neuer Film. Erst vor Kurzem wurde der Schauspieler als »der letzte wahre Kinostar« gefeiert. Das war zum Start von Quentin Tarantinos Once Upon A Time in Hollywood, in dem der 55-Jährige mehr jugendliche Coolness ausstrahlte als einer seiner 30-jährigen Kollegen.

Dass etwas dran sein muss am Etikett vom »Letzten seiner Art«, wurde nun auch in Venedig offenbar: Fans, die im Morgengrauen ihr Lager vor dem Festivalpalais aufschlagen, um am späten Abend einen Blick auf Pitt zu erhaschen, wenn er zur Premiere über den roten Teppich läuft; eine Fotografenmeute, die man von Weitem an ihren »Brad! Brad!«-Schreien ausmachen kann, und Journalisten, die mit unsachlichen Fragen und dem Ergattern eines Autogramms jede professionelle Zurückhaltung aufgeben: Das alles passiert, wenn Brad Pitt am Lido angelegt hat.

Und der Anlass von Pitts Abstecher zum Lido, sein neues Weltalldrama Ad Astra, könnte es kaum deutlicher unterstreichen: Wie viele andere Filmstars gibt es noch, die ihr Publikum über zwei Stunden in den Bann ziehen, selbst wenn sie den Großteil davon alleine und mit Astronautenhelm auf dem Kopf agieren müssen?

ZUKUNFT Ad Astra erzählt die in der »nahen Zukunft« spielende Geschichte des von Pitt gespielten Sohnes, der seinem Vater (Tommy Lee Jones), einem legendären Astronauten und Weltraumforscher, nacheiferte und selbst Raumfahrer wurde.

Trotz Science-Fiction-Geraune steckt hinter den Aspirationen von »Ad Astra« letztlich doch ein einfaches Vater-Sohn-Drama.

Nun soll er, ausgesucht wegen seines Talents zum Ruhebewahren in Notsituationen, sich auf den langen Weg zum Mars machen, um Kontakt aufzunehmen zu seinem vor Jahrzehnten im All verschollenen Vater, den man eines weltbedrohenden Sabotageakts verdächtigt.

Trotz Science-Fiction-Geraune und vielen Ehrfurcht erheischen wollenden Raumschiffaufnahmen steckt hinter den Aspirationen von Ad Astra letztlich doch ein einfaches Vater-Sohn-Drama. Regisseur James Gray strebt eine mysteriöse Nachdenklichkeit zwischen Stanley Kubricks 2001 und Denis Villeneuves Arrival an, doch merkt man seinem Film zu sehr an, dass seine Ideen zur Zukunft nur Kulissen sind für diesen recht klischeehaften Vater-Sohn-Konflikt.

Ohne Brad Pitt wäre Ad Astra zu zäh geraten. Andererseits aber verleiht vielleicht genau diese Schwerfälligkeit Pitt endlich die richtige Gravitas, die ihm den ersten Hauptrollen-Oscar seiner über 35-jährigen Karriere bringen könnte.

Antisemitismus

Kanye behauptet, Juden wieder zu lieben

Der Rapper sorgte mit judenfeindlichen Aussagen für Empörung. Nun will er seine Meinung geändert haben

 27.03.2023

Berlin

»Solche Bilder vergisst man nicht«

Die Schau »Flashes of Memory« aus Yad Vashem zeigt Aufnahmen aus dem Holocaust

von Nina Schmedding  27.03.2023

Musik

Warum Jeff Goldblum morgens gern Klavier spielt

Bald gibt der Jazz-Pianist und Schauspieler ein großes Konzert in Berlin

 27.03.2023

Kino

»Ich stand immer auf Filme«

Sein nächstes – und letztes – Werk soll von der legendären jüdischen Filmkritikerin Pauline Kael handeln

von Anke Sterneborg  27.03.2023

Fotografie

Sinfonie einer Großstadt

Das Berliner Bröhan-Museum zeigt die ikonischen Bilder von Andreas Feininger aus New York

von Sabine Schereck  25.03.2023

Kulturtipp

Malabi und Schesch Besch

Unsere Israel-Korrespondentin Sabine Brandes hat einen Reiseführer über Tel Aviv geschrieben. Ein Auszug

von Sabine Brandes  25.03.2023

USA

Facebook-Gründer Zuckerberg zum dritten Mal Vater geworden 

Lange wurde über den Namen des Babys gerätselt. Jetzt wurde er bekannt. Das Paar Zuckerberg bleibt seinen besonderen Namensvorlieben treu

 24.03.2023

Berlin

Joachim Gauck und Herta Müller fordern Unterstützung für Exilmuseum

In der Hauptstadt entsteht ein Museum über die Vertreibung aus Deutschland während der NS-Zeit und heutige Fluchtbewegungen

von Bettina Gabbe  24.03.2023

Legenden

Reporter und Revolutionär

Vor 75 Jahren starb Egon Erwin Kisch: Seine Reportagebände haben bis heute nichts an ihrer Faszination verloren

von Michael Heitmann  24.03.2023