»The Search«

Vom Waisenhaus auf die Leinwand

Wiedersehen nach 37 Jahren: der Hollywood-Regisseur Fred Zinnemann (l.) und sein ehemaliger Kinderdarsteller Joel Feldmann trafen sich 1984 in Jerusalem. Foto: Medienwerkstatt Franken

»Ich war noch sehr klein, elf, zwölf Jahre alt, doch wir wussten, dass wir in Nürnberg waren«, erinnert sich Joel Feldmann an die Zeit vor rund 70 Jahren. Joel gehörte zu einer Gruppe von jüdischen Kindern, die in einem Film des Hollywood-Regisseurs Fred Zinnemann eine wichtige Rolle spielten. In seinem Streifen The Search thematisierte der aus Wien in die USA emigrierte Zinnemann das Schicksal der Waisenkinder, die nur knapp den NS-Mördern entkommen waren. Zentrale Szenen wurden inmitten der zerstörten Nürnberger Altstadt gedreht.

»Wir wohnten in einem Nürnberger Hotel, in dem auch Amerikaner untergebracht waren. Hier bekamen wir das erste Mal Coca-Cola«, erzählt Feldmann lächelnd. »Dann brachten sie uns zu den Drehorten.« Der in Ungarn geborene Joel hatte mit viel Glück den Holocaust überlebt und wartete in einem Auffanglager für jüdische Waisen im Ansbacher Vorort Strüth auf seine Ausreise nach Palästina. Dort lernte er Fred Zinnemann kennen, der auf der Suche nach Kinderdarstellern für seinen Film war. »Fred Zinnemann, der Regisseur, Hermann Haller, sein Cutter, und noch drei oder vier Personen schauten sich um, machten Fotos und wählten einige von uns aus«, berichtet Feldmann. »Ich sprach Deutsch mit ihm, denn zu dieser Zeit habe ich gut Deutsch gesprochen, freilich mit Wiener Akzent.«

Auffanglager Auf der Suche nach passenden Drehorten war der Hollywood-Regisseur durch das zerstörte Deutschland gereist und hatte zahlreiche Auffanglager für entwurzelte, elternlose Kinder besucht; sie sollten in dem Film eine glaubhafte Stimme erhalten. Daher entschied Zinnemann, dass nur wenige Rollen von professionellen Schauspielern übernommen wurden, unter ihnen Montgomery Clift.

Alle wichtigen Außenaufnahmen wurden an Originalschauplätzen gedreht. Insbesondere die Ruinen der ehemaligen Stadt der Reichsparteitage garantierten eindrucksvolle und authentische Bilder. Die Kirchtürme von St. Sebald, die Frauenkirche, die Pegnitz und der Hauptmarkt sind zu erkennen.

Der Markt ist von Trümmern und Gebäude-Skeletten umsäumt. Die Kamera fokussiert einen Krankenwagen, der inmitten einer Fahrzeugkolonne über den Platz fährt, und gewährt dem Zuschauer einen Blick in den Innenraum. Dort sitzt ein Dutzend Kinder, darunter Joel Feldmann. Aufgrund des defekten Auspuffs dringen Abgase hinein. In den Gesichtern der Jungen und Mädchen ist blankes Entsetzen zu lesen. Sie befürchten, dass es sich bei dem Transporter um einen der berüchtigten NS-Gaswagen handelt, in denen Hunderttausende Juden ermordet worden waren. Die Kinder geraten in Panik und flüchten Hals über Kopf. Doch es gelingt den Betreuern, ihre Schützlinge wieder einzufangen; bis auf zwei, die durch beherzte Sprünge in die Pegnitz entkommen.

Der Hollywood-Regisseur, der sich bereits in seinem Vorgängerfilm Das siebte Kreuz mit dem NS-Regime auseinandergesetzt hatte, verarbeitet in The Search den Verlust seiner Eltern, die von den Nazis ermordet wurden. Auch Joel Feldmann und die vielen jüdischen Kinderstars haben das NS-Grauen am eigenen Leib erfahren.

Wiedersehen Nach Abschluss der Dreharbeiten wurden die Kinder in ihre Lager zurückgebracht, wo sie noch bis zur Gründung des Staates Israel im Mai 1948 ausharren mussten. Obwohl The Search in mehreren israelischen Kinos gezeigt wurde, brach der Kontakt zwischen den Kindern und Zinnemann ab. Nur Joel Feldmann traf sich 1984 noch einmal mit dem Regisseur. Sie verbanden die gemeinsamen Erinnerungen an Wien und ihr Akzent.

Mit Rücksicht auf eventuelle Befindlichkeiten vermied der Film jeden Hinweis auf das jüdische Schicksal der Kinder und wurde erst 1961 mit einer teilweise verfälschenden Synchronisation unter dem Titel Die Gezeichneten aufgeführt.

»Jüdische Kinder als Filmstars« ist als DVD erhältlich. Telefon: 0911/28 80 13, info@medienwerkstatt-franken.de

Jubiläum

Hugo Egon Balder wird 75

Der Schauspieler blickt auf eine abwechslungsreiche Karriere zurück und ist derzeit mit einem eigenen Bühnenprogramm unterwegs

von Jonas-Erik Schmidt  22.03.2025

Bonn

Humanist und Konsumkritiker: Zum 125. Geburtstag von Erich Fromm

Schon vor Jahrzehnten warnte Erich Fromm vor einer Welt, in der Menschen ausschließlich funktionieren. Er analysierte Liebe, Freiheit und Verantwortung - mit tiefgründigem Blick, der zeitlos bleibt

von Paula Konersmann  21.03.2025

Justiz

Gil Ofarim: »Ich habe wirklich gedacht, ich werde freigesprochen«

Sänger Gil Ofarim hatte vor Gericht zugegeben, einen antisemitischen Vorfall in einem Leipziger Hotel erfunden zu haben. Jetzt hat er zum ersten Mal ein ausführliches Interview gegeben

 21.03.2025

Berlin/Mainz

»Das war spitze!«

Hans Rosenthal hat in einem Versteck in Berlin den Holocaust überlebt. Später war er einer der wichtigsten Entertainer Westdeutschlands. Zum 100. Geburtstag zeigt ein ZDF-Spielfilm seine beiden Leben

von Christof Bock  21.03.2025

Fernsehen

»Mein Vater war sehr bodenständig«

Am 2. April wäre Hans Rosenthal 100 Jahre alt geworden. Zum Jubiläum würdigt ihn das ZDF. Ein Gespräch mit seinem Sohn Gert über öffentliche und private Seiten des Quizmasters

von Katrin Richter  21.03.2025

Spielfilm

Ziemlich beste Mafiosi

In »The Alto Knights« kommen gleich mehrere Klassiker des Genres zusammen

von Patrick Heidmann  21.03.2025

Kolumne

Shkoyach!

Poesie statt Pillen – unsere Autorin hat ein Patentrezept gegen Ängste

von Maria Ossowski  20.03.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der Jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter, Nicole Dreyfus  20.03.2025

Leserbriefe

»Es gibt uns, nichtjüdische Deutsche, die trauern und mitfühlen«

Nach der Sonderausgabe zum Schicksal der Familie Bibas haben uns zahlreiche Zuschriften von Lesern erreicht. Eine Auswahl

 20.03.2025