Literatur

Vom Sieg über den bösen Leierkastenmann

Literatur

Vom Sieg über den bösen Leierkastenmann

Hans Krásas Kinderoper »Brundibár« wurde 1943 in Theresienstadt uraufgeführt. Der Stoff funktioniert auch als Bilderbuch

von Hadassah Stichnothe  06.12.2023 17:04 Uhr

Hans Krásas Kinderoper Brundibár ist ein modernes Märchen mit einem guten Ende. Erzählt wird, wie Aninka und Pepíček versuchen, auf dem Markt Milch für ihre kranke Mutter zu kaufen, und dabei dem bösen Leierkastenmann Brundibár begegnen, wie sie erst von ihm verscheucht werden und es am Ende doch gelingt, ihn mithilfe mehrerer Tiere und der Unterstützung aller Kinder zu vertreiben. Gleichzeitig ist Brundibár untrennbar verbunden mit der Geschichte seiner Aufführung im Konzentrationslager Theresienstadt und dem Schicksal der Mitwirkenden.

Wer diese Kinderoper nacherzählt, steht vor einem Dilemma. Denn wie soll man anders von Brundibár sprechen als im Gedenken an den Komponisten und die Kinder von Theresienstadt, die meisten von ihnen in Auschwitz ermordet? Doch muss die Geschichte, wenn sie für heutige Kinder erzählt werden soll, auch als Kindergeschichte funktionieren, so wie sie ursprünglich gedacht war.

Ein neues Bilderbuch wagt diesen Balanceakt. Erschienen ist es im Verlag Boosey & Hawkes, bei dem auch die Rechte für die Kinderoper liegen, und es ist das Produkt einer langjährigen Auseinandersetzung der Autorin Hannelore Brenner mit der Geschichte von Brundibár. Seit den 90er-Jahren, als sie für ein Rundfunkfeature zu Brundibár recherchierte, stand Brenner in Kontakt mit Überlebenden von Theresienstadt, die als die »Mädchen von Zimmer 28« bekannt wurden.

Daraus erwuchs das Projekt Room 28, das neben Publikationen auch Ausstellungen und didaktische Module für Schulen und andere Bildungseinrichtungen konzipiert hat. Auch das aktuelle, zum 80. Jahrestag der Theresienstädter Aufführung von 1943 erschienene Bilderbuch ist Teil dieses Projektes.

In Theresienstadt wurde das Stück etwa 55-mal aufgeführt

Bereits 1938 hatte Hans Krása zusammen mit dem Librettisten Adolf Hoffmeister die Kinderoper für einen Wettbewerb geschrieben. In Theresienstadt gelang es Krása, die Partitur zu rekonstruieren, und in dieser Fassung wurde das Stück etwa 55-mal aufgeführt. Für die Kinder bedeuteten diese Aufführungen Flucht und Hoffnung, ließ sich doch aus der Besiegung des bösen Leierkastenmanns Brundibár Hoffnung schöpfen für den Fall auch der schlimmsten Tyrannei.

Das Bilderbuch erinnert in seiner Widmung und dem Nachwort an diesen Hintergrund, verlässt sich aber im Text ganz auf die Wirkung der Geschichte selbst. Entsprechend ist auch der Erzählduktus märchenhaft, schon fast ein wenig altmodisch, aber auf die Art, wie Märchen eben altmodisch sind, und stets dicht am Text der Oper.

Anders als bei Maurice Sendak, der in seiner vielschichtigen, aber für jüngere Kinder nur bedingt geeigneten Adaption von 2003 die Handlung und den historischen Kontext in latent bedrohlichen Bildern zusammenführt, atmen die Bilder von Maria Thomaschke ganz den Optimismus der Vorlage. Ihre Illustrationen sind mit leichtem Strich und bunt-leuchtenden Farben gezeichnet. Manchmal fast skizzenhaft zeigen sie eine Kleinstadtwelt, die heute fast ebenso gut wie vor 80 Jahren hätte existieren können.

Diese poetische Unbestimmtheit eines modernen Märchens entspricht auch dem Text. Da gibt es Verkehrslärm von Autos und Motorrädern, und Aninka und Pepíček singen von einem Flieger, der die Wolken zärtlich mit dem Propeller anstößt. Andererseits gibt es eben auch einen Markt mit Milchmann, Leierkastenmann und Kindern mit Lederranzen, von denen keines ein Smartphone aus der Tasche zieht.

Am Ende zählt jedoch vor allem die Erfahrung, die Aninka und Pepíček machen: Zwei Kinder können vielleicht nichts gegen einen übermächtigen Feind ausrichten, viele zusammen allerdings schon. »Ihr müsst auf Freundschaft bau’n«, singen die Kinder am Ende. Das Bilderbuch vermittelt nicht nur diese positive Botschaft, sondern macht Lust auf die musikalische Vorlage. Nicht zuletzt aber bewahrt es das Andenken an deren Geschichte, ohne damit seine kleineren Leser zu überfordern, und bleibt somit dem Geist von Krásas Kinderoper auf angenehme Weise treu.

»Brundibár. Wie Aninka und Pepíček den Leierkastenmann besiegten«. Erzählt von Hannelore Brenner mit Bildern von Maria Thomaschke. Musikverlag Boosey & Hawkes – Bote & Bock in Kooperation mit Edition Room 28, 64 S., 38 Bilder, 19,90 €

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025