Interview

»Verjudet in einem besten Sinn«

Wolf Biermann Foto: Rafael Herlich

Als junger Kommunist hat sich Wolf Biermann 1953 kurz nach seiner Übersiedlung von Hamburg in die DDR für eine Mitschülerin eingesetzt. Sie war Mitglied der evangelischen Jungen Gemeinde und sollte zum Austritt gezwungen werden. So schilderte es der heute 80-jährige Liedermacher und Dichter in seiner jüngst erschienenen Autobiografie »Warte nicht auf bessre Zeiten!«, die er am Dienstagabend in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt vorgestellt hat. Im Kurzgespräch mit Elvira Treffinger äußert sich Biermann auch zu religiösen Fragen.

Herr Biermann, wie würden Sie Ihr Verhältnis zur Religion beschreiben?
Ich bin ja in der kommunistischen Kirche aufgewachsen. Meine Religion war die Hoffnung auf ein marxistisches Paradies, in dem es keine Ungerechtigkeit gibt, keine Ausbeutung, keine Gewalt. Das, was die Christen schlauerweise erst im Himmel versprechen, haben die Kommunisten auf Erden versprochen.

Wie ist es Ihnen damit ergangen?
Ich kann kein Kommunist mehr sein. Dieser Versuch, die Endlösung der sozialen Frage zu erzwingen, führt nicht ins Paradies, sondern in die Hölle. Das irdische Jammertal will ich ertragen, aber in die Hölle des Gulag will ich nicht und will auch niemanden dorthin schicken.

Ihr Vater war Jude. Sie haben am Dienstagabend aus Ihrer Autobiografie »Warte nicht auf bessre Zeiten!« im Jüdischen Gemeindezentrum in Frankfurt am Main gelesen. Was bedeuten Ihnen Ihre jüdischen Wurzeln?
Alle in meiner Familie, die aus mir einen Juden hätten machen können, religiös oder kulturell, sind umgekommen. Über 20 Leute sind ermordet worden. Verjudet in einem besten Sinn hat mich viel später ein Mann, der in Frankfurt gelebt hat. Der Historiker Arno Lustiger wurde mir nach der Ausbürgerung aus der DDR 1976 im Westen ein väterlicher Freund.

Wolf Biermann: »Warte nicht auf bessre Zeiten! Die Autobiographie«. Propyläen, Berlin 2016, 576 S., 28 €

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