Debatte

Verfassungsbeschwerde zur Wittenberger »Judensau« verworfen 

Eine als »Judensau« bezeichnete Schmähplastik ist an der Stadtkirche in Wittenberg zu sehen. Foto: picture alliance/dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde zu einer antijüdischen Skulptur an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche abgewiesen. Die Karlsruher Richter nahmen die Beschwerde nicht zur Entscheidung an, wie Gerichtssprecher Jonas Heimbach am Montag auf Anfrage sagte.

Die zuständige Kammer habe »von der im Bundesverfassungsgerichtsgesetz vorgesehenen Möglichkeit, von einer Begründung abzusehen, Gebrauch gemacht«, so der Sprecher des höchsten deutschen Gerichts. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Juni 2022 entschieden, dass die als »Judensau« bezeichnete Plastik aus dem 13. Jahrhundert nicht entfernt werden muss. Durch eine Bodenplatte und einen Schrägaufsteller unterhalb des Reliefs wurde nach Überzeugung des BGH das Schandmal in ein Mahnmal umgewandelt. Dem jüdischen Kläger fehle es an einer gegenwärtigen Rechtsverletzung.

Michael Düllmann kämpft seit 2018 für die Entfernung der Skulptur, weil er sie als beleidigend empfindet. Er sieht sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt.

Menschenrechtsgerichtshof am Zug

Für den Fall einer weiteren juristischen Niederlage in Karlsruhe hatte Düllmann bereits angekündigt, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nach Straßburg ziehen zu wollen. Sein Anwalt Christian Kirchberg sagte nun der »Süddeutschen Zeitung«, die zuerst darüber berichtet hatte, Düllmann wolle Beschwerde in Straßburg erheben.

Der Streit hat grundsätzliche Bedeutung. In Europa gibt es geschätzte 50 weitere ähnliche Darstellungen an Kirchen.

Die »Judensau« ist in etwa vier Metern Höhe angebracht. Dargestellt ist eine als Rabbiner karikierte Figur, die den Schwanz eines Schweins anhebt und das im Judentum als unrein geltende Tier von hinten betrachtet. Zwei weitere als Juden gezeigte Figuren saugen an den Zitzen. Eine vierte Figur hält Ferkel von der Muttersau fern. kna

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  07.11.2025

Paris

Beethoven, Beifall und Bengalos

Bei einem Konzert des Israel Philharmonic unter Leitung von Lahav Shani kam es in der Pariser Philharmonie zu schweren Zwischenfällen. Doch das Orchester will sich nicht einschüchtern lassen - und bekommt Solidarität von prominenter Seite

von Michael Thaidigsmann  07.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  07.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  07.11.2025