Geburtstag

Undogmatische Zwölftönerin

»Musik ist Heimat«: Ursula Mamlok Foto: Marko Priske

Sie ernähre sich von Noten, sagt der Verleger Frank Harders-Wuthenow über Ursula Mamlok. Diese Nahrung scheint ihr gut zu bekommen. Am Freitag, den 1. Februar, feiert die Pianistin und Komponistin ihren 90. Geburtstag – passenderweise in der Philharmonie. Die Reihe Spectrum Concerts Berlin überreicht ihr ein ganz besonderes Geschenk: Die Musiker werden Werke von ihr spielen.

emigration Davor wird Ursula Mamlok in einem Gespräch über ihr Leben erzählen. Geboren 1923 in Charlottenburg, lebte sie 65 Jahre in New York, wo sie über vier Jahrzehnte lang Komposition in Manhattan an der School of Music unterrichtete. Seit sie nach dem Tod ihres Ehemanns Dwight vor sechs Jahren aus den USA in ihre Geburtsstadt Berlin zurückkam, ist die Komponistin so erfolgreich wie nie zuvor. Mehrmals im Monat erklingen Werke von ihr in den Konzertsälen, in Göttingen wird im Februar ihr Concerto für Oboe und Orchester uraufgeführt, ihre Biografie ist kürzlich erschienen, und im März wird ein Film über sie ausgestrahlt.

»Die Musik ist meine Heimat«, hat Ursula Mamlok einmal gesagt. Schon als Kind zog sie Klavierüben und Komponieren dem Spiel mit Puppen vor. Als sie als Jugendliche mit ihren Eltern 1939 nach Ecuador emigrieren musste, kamen Klavier und Noten mit. Mit 17 bekam sie ein Stipendium für die Mannes School of Music in New York. Später, als sie in Manhattan lebte, Komposition unterrichtete und verheiratet war, entschied sie sich bewusst gegen eigene Kinder: »Musik war mir wichtiger.«

neustart Anfang der 60er-Jahre wagte Ursula Mamlok beim Komponieren einen Neuanfang. Sie ließ den Neoklassizismus à la Hindemith, Bartok und Strawinsky hinter sich und fand über die Zwölftönigkeit zu einem eigenen, freien, expressiven Stil. Die Zwölftonmusik von Arnold Schönberg und Alban Berg hatte sie durch ihre Lehrer Ralph Shapey und Stefan Wolpe, einen anderen Berliner Exilanten, kennengelernt. Diese Musik reichert Mamlok mit komplexen Klangfarben und ineinander verschachtelten Rhythmen an, die sie vorher auf kariertem Papier ausrechnet. In den vergangenen Jahrzehnten immer individueller und kompromissloser.

Die Zwölftonmusik wurde die Sprache der rund 85 Titel ihres überwiegend kammermusikalischen Werkes. Eine Dogmatikerin sei sie aber nie gewesen, meint Mamlok. Immer wieder schrieb sie auch tonale Werke. Beim Konzert zu ihrem Geburtstag werden Werke aus der Anfangszeit ihres zeitgenössischen Stils bis zu ihrer jetzigen Sprache erklingen. In ihrem 1962 komponierten ersten Streichquartett arbeitet die Musikerin mit diffizilen, gegeneinander gesetzten Rhythmen. Das jüngste Werk des Abends stammt von 2001 und trägt den Titel »Confluences«. Geschrieben ist es für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier.

gesamtwerk Vier bis fünf Werke komponiert Ursula Mamlok im Jahr, meist Auftragsarbeiten. Ihr Œuvre besteht aus Orchesterstücken, Kammermusik – auch für außergewöhnliche Besetzungen –, Soloinstrumenten und Liedern. Ihre Werke wurden in berühmten Häusern wie der New Yorker Carnegie Hall aufgeführt. Für ihr kompositorisches Werk erhielt sie mehrere Auszeichnungen. Derzeit realisiert das New Yorker Label »Bridge Records« eine Gesamteinspielung des Mamlokschen Werks.

Auch mit fast 90 Jahren ist Ursula Mamlok viel unterwegs, ist bei vielen Proben und Konzerten ihrer Werke dabei, ebenso wenn Studioaufnahmen gemacht werden. Jeden Tag spielt sie Klavier und komponiert. Dabei ist sie ihre eigene schärfste Kritikerin. Manchmal, sagt sie, hat sie das Gefühl, dass gar nichts funktioniere und sie alles zerreißen müsse: »Das Komponieren wird immer schwerer, je länger man sich damit beschäftigt.«

Termine: 1. Februar, Konzert, Philharmonie Berlin, Kammermusiksaal, 20 Uhr; ab 16. Februar, Staatsbibliothek Berlin, Ausstellung zum 90. Geburtstag; 23. März, 19 Uhr, Akademie der Künste, Berlin, Hanseatenweg, Filmpremiere »Ursula Mamlok Movements« von Anne Berrini.
Die Biografie »Time in Flux: Die Komponistin Ursula Mamlok« von Habakuk Traber ist im Böhlau-Verlag erschienen (Köln 2012, 282 S., 24, 90 €).

Hollywood

Scarlett Johansson macht bei »Exorzist«-Verfilmung mit

Sie mimte die Marvel-Heldin »Black Widow« und nahm es in »Jurassic World: Die Wiedergeburt« mit Dinos auf. Nun lässt sich Scarlett Johansson auf den vielleicht düstersten Filmstoff ihrer Laufbahn ein

 25.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Sderot

Zweitägiges iranisches Filmfestival beginnt in Israel

Trotz politischer Spannungen will das Event einen Dialog zwischen Israelis und Iranern anstoßen

von Sara Lemel  24.11.2025

Genetik

Liegt es in der Familie?

Eierstockkrebs ist schwer zu erkennen. Warum ein Blick auf den Stammbaum nützen kann

von Nicole Dreyfus  23.11.2025