Wuligers Woche

Und noch ’ne Synagoge

Aus klein mach groß: die Synagoge Fraenkelufer in Berlin Foto: Gregor Zielke

Wuligers Woche

Und noch ’ne Synagoge

Oder: Je weniger Juden, desto größer das Gotteshaus

von Michael Wuliger  13.11.2017 19:49 Uhr

Wenn ein Ehemann seiner Frau ohne besonderen Anlass Blumen, Pralinen oder Parfüm mitbringt, weiß die erfahrene Gattin, dass die Sache faul ist. Entweder Männe ist fremdgegangen und versucht, sich von seinem schlechten Gewissen freizukaufen; oder er hat irgendetwas Dubioses vor und will die Angetraute mit dem Geschenk präventiv ruhigstellen.

Ganz ähnlich ist es mit Politikern, die aus heiterem Himmel großzügige Versprechungen machen. Dahinter steckt oft auch etwas anderes. Wenn also der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh vergangene Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorschlägt, die historische Synagoge Fraenkelufer in Kreuzberg wiederzuerrichten, fragt sich der geübte Wähler: Was will der Mann wirklich?

Sawsan Chebli Der SPD-Politiker Saleh, das ist in Berlin bekannt, hat Ambitionen, den glücklosen Regierenden Bürgermeister Michael Müller abzulösen. Der ist, nachdem er vor einiger Zeit wegen angeblicher Nachgiebigkeit gegenüber Antisemiten unter Beschuss geraten war, neuerdings in jüdischen Dingen besonders umtriebig. Pünktlich zum 9. November ließ er seine Staatssekretärin Sawsan Chebli sogar einen »Arbeitskreis gegen Antisemitismus« ins Leben rufen. Das, wird sich Raed Saleh vielleicht gedacht haben, muss ich dringend toppen. Irgendetwas mit Juden sollte es auch sein. Wenn der Genosse Müller ein Gremium gründet, erhöhe ich um eine ganze Synagoge. All in!

Selbstverständlich ist das eine bösartige Unterstellung. Michael Müller und Raed Saleh handeln gewiss nur aus edelsten Motiven. Ganz durchdacht ist die Initiative des Fraktionsvorsitzenden dennoch nicht. Das derzeit größte jüdische Gotteshaus Berlins in der Rykestraße in Prenzlauer Berg fasst theoretisch 1200 Menschen und ist, wenn nicht gerade ein Konzert dort stattfindet, nie wirklich voll, nicht einmal an den Hohen Feiertagen.

Die frühere Synagoge Fraenkelufer, die der SPD-Mann in alter Form rekonstruieren will, bot einst Platz für 2000 Beter. Wo die im Falle einer Wiedererrichtung herkommen sollen, ist ein schon fast kabbalistisches Mysterium. Zumal Kreuzberg und das benachbarte Neukölln nicht gerade natürliche jüdische Biotope sind, allen medienträchtigen Behauptungen von Armin Langers »Salaam-Schalom Initiative« zum Trotz, deren Mitstreiter auch am Fraenkelufer aktiv sind.

Flughafen Zum Glück sind wir in Berlin, wo sich Neubauprojekte bekanntermaßen etwas länger hinziehen. Am Fraenkelufer wird so sicher eine neue Synagoge stehen, wie der Flughafen BER planmäßig in Betrieb gegangen ist. Das ist auch besser so. Würde Salehs Idee gegen jede Wahrscheinlichkeit Realität, hätten wir bloß ein weiteres, mutmaßlich meist leeres jüdisches Gotteshaus in der Hauptstadt.

Nach ein paar Jahren käme dann womöglich der nächste Politiker mit dem Vorschlag, das Gebäude in eine interkulturelle Begegnungsstätte umzuwidmen. Oder gleich eine Moschee daraus zu machen. Die zumindest wäre immer gut besucht. Und würde auch besser nach Kreuzberg passen.

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  18.11.2025

Literatur

John Irvings »Königin Esther«: Mythos oder Mensch?

Eigentlich wollte er keine langen Romane mehr schreiben. Jetzt kehrt er zurück mit einem Werk über jüdische Identität und Antisemitismus

von Taylan Gökalp  18.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  17.11.2025

TV-Tipp

»Unser jüdischer James Bond«

Die Arte-Doku »Der Jahrhundert-Spion« erzählt die schillernde Lebensgeschichte des Ex-CIA-Agenten Peter Sichel, der seinerzeit den Ausbruch des Kalten Kriegs beschleunigte

von Manfred Riepe  17.11.2025

Miss-Universe-Show

Miss Israel erhält Todesdrohungen nach angeblichem Seitenblick

Auch prominente Israelis sind immer öfter mit Judenhass konfrontiert. Diesmal trifft es Melanie Shiraz in Thailand

 17.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  17.11.2025

Jubiläum

Weltliteratur aus dem Exil: Vor 125 Jahren wurde Anna Seghers geboren

Ihre Romane über den Nationalsozialismus machten Anna Seghers weltberühmt. In ihrer westdeutschen Heimat galt die Schriftstellerin aus Mainz jedoch lange Zeit fast als Unperson, denn nach 1945 hatte sie sich bewusst für den Osten entschieden

von Karsten Packeiser  17.11.2025

Aufgegabelt

Noahs Eintopf

Rezepte und Leckeres

 16.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025