Fernsehen

Trauer um Ruth Herz

Wurde 1943 in Haifa geboren: Ruth Herz sel. A. Foto: picture-alliance / dpa

RTL trauert. »Ruth Herz ist im Alter von 79 Jahren gestorben. All unsere Gedanken und unser tiefes Mitgefühl sind bei ihrer Familie und den Angehörigen«, schrieb der Fernsehsender, der jahrelang mit Ruth Herz zusammenarbeite, am Freitag auf Twitter.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die jüdische Juristin war ein Star und Quotengarant für RTL. Immerhin vier Jahre lang, von 2001 bis 2005, spielte sie die Hauptrolle der Show »Das Jugendgericht«. Ihre Rolle: sie selbst.

Bandbreite Ruth Herz fällte in der Pseudo-Doku-Serie Urteile über jugendliche Straftäter. Die volle Bandbreite an Delikten wurde abgedeckt, von Drogen und Diebstahl über Erpressung bis hin zu Raub, Körperverletzung und Totschlag.

Klischees wurden in der Serie durchaus bedient und eine Brise Dramatisierung war erlaubt, denn Bildung über geltendes Recht war im Gegensatz zur Unterhaltung eher ein Nebenaspekt.

Mit Verständnis und Fairness, aber auch Konsequenz und zuweilen notwendiger Härte behandelte Ruth Herz als Richterin Ruth Herz ihre Fälle. Für Millionen Zuschauer, die ihre Folgen regelmäßig sahen, wurde sie fast zu einer Art Freundin, da sie werktäglich nachmittags zugegen war, auf dem Fernsehbildschirm.

Judentum Kaum jemand wusste, dass Ruth Herz eine der wenigen jüdischen TV-Persönlichkeiten in der Bundesrepublik war, denn das Judentum war – zumindest in der Öffentlichkeit – eher nicht ihr Thema.

Ruth Herz auf ihre Fernsehserie zu reduzieren, wäre nicht annähernd korrekt.

Geboren wurde sie 1943 in Haifa. Ihr Vater, der Rechtsanwalt Rudolf Pick floh 1933 vor den Nazis nach Palästina. Fünf Jahre nach der Befreiung zog die Familie in die Bundesrepublik, wo Ruth Herz eine britische Armeeschule besuchte, die sie 1960 abschloss.

Nach Studien an einer Dolmetscherschule in Genf trat Ruth Herz doch noch in die Fußstapfen ihres Vaters, indem sie ein Jurastudium begann. Mitte der 1970er-Jahre wurde sie Richterin. Dies bedeutet: In »Das Jugendgericht« war nicht nur ihr Name echt, sondern auch ihre Profession. Ruth Herz wusste schon lange vor der TV-Serie, wovon sie sprach und was in Gerichtssälen passierte.

Während der Staatsanwalt etwas künstlich wirkte, waren ihre Auftritte stets natürlich.

In ihrer Dissertation behandelte sie 1972 das Thema »Strafen und Strafzumessung in Israel und in der Bundesrepublik Deutschland«. Viel später veröffentlichte sie »The Judge’s Perspective«, ein Buch mit vom Richterpult aus heimlich gezeichneten Gerichtssaal-Szenen.

Die Werke von Richter Pierre Cavellat ergänzte sie mit Texten über die Perspektive von Richtern. Diese britische Veröffentlichung war sowohl für Juristenkollegen als auch für »ein breiteres Publikum« gedacht.

Israel Ruth Herz’ wohl erfolgreichste Veröffentlichung war das Buch »Recht persönlich: Eine Jugendrichterin erzählt«, das 2006 heraus kam. Die Leser erfuhren in diesem Werk mehr über ihre Fernsehrichterin. Hier beschrieb sie sogar den ersten Teil ihrer Kindheit in Israel.

Auch arbeitete sie anhand ihrer in der Serie bearbeiteten Fälle ein Plädoyer für einen fairen Umgang mit Jugendlichen mit in das Buch ein und bot auch noch einen Blick hinter die Kulissen der Show.

Ruth Herz auf ihre Fernsehserie zu reduzieren, wäre jedoch nicht annähernd korrekt. Bereits bevor sie bei RTL bekannt wurde, erhielt sie das Bundesverdienstkreuz am Bande. Ausgezeichnet wurde sie für ihr Engagement beim sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich. Im Rahmen des Projektes trafen jugendliche Straftäter ihre Opfer. Das Unrecht wurde so gemeinsam aufgearbeitet.

Als Expertin für Strafrecht war Ruth Herz ebenfalls schon vor dem »Jugendgericht« beim Europarat tätig. Später, nach vier Jahren im Fernsehen entschied sie sich, nach Oxford zu gehen. Die dortige Universität wollte sie für ein Forschungsprojekt über Medien und Justiz gewinnen. Dieser Wunsch beruhte auf Gegenseitigkeit.

Lächeln Während ihrer RTL-Zeit sahen die Zuschauer schon im Vorspann zur Serie eine freundliche Richterin, die Mitarbeitern und Staatsanwälten mit einem überzeugenden Lächeln die Hände schüttelte, um dann mit einem eher entschlossenen Blick ihre Fälle zu bearbeiten. Hunderte Male war dies der Fall.

»Paulo soll seine Freundin auf dem Nachhauseweg von einer Party mit einem Spaten niedergeschlagen haben«, hieß es im Intro von Folge 329. »War es Rache für ihren Seitensprung? Oder hatte es jemand anders auf sie abgesehen?«

Dann kommt Richterin Ruth Herz in den Saal. »Bitte nehmen Sie Platz.« Mit Ruhe und Souveränität versucht sie auch diesen Fall aufzuklären. Während der Staatsanwalt etwas künstlich wirkt, ist ihre Performance sehr natürlich. Kein Wunder, dass die Serie so beliebt war. Sie hatte ganz einfach die richtige Frau in der Hauptrolle.

Ruth Herz starb bereits am 2. Februar 2023 im Alter von 79 Jahren in Köln. Sie hinterlässt ihren Ehemann Gabriel Gorodetsky, eine Tochter und einen Sohn.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  02.12.2025

Streaming

Gepflegter Eskapismus

In der Serie »Call my Agent Berlin« nimmt sich die Filmbranche selbst auf die Schippe – mit prominenter Besetzung

von Katrin Richter  02.12.2025

Jean Radvanyi

»Anna Seghers war für mich ›Tschibi‹«

Ein Gespräch mit dem Historiker über die Liebesbriefe seiner Großeltern, Kosenamen und hochaktuelle Texte

von Katrin Richter  02.12.2025

TV-Kritik

Politisierende Ermittlungen

In »Schattenmord: Unter Feinden« muss eine arabisch-stämmige Polizistin den Mord an einem jüdischen Juristen aufklären

von Marco Krefting  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025