»Nisman«

Suizid oder Mord?

Der argentinische Sonderstaatsanwalt Alberto Nisman Foto: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland und Österreich. !

Schon zu Beginn der ersten Folge, als die Musik einsetzt, dumpf und unheilvoll, wird dem Zuschauer bewusst: Hier ist etwas Schreckliches geschehen. Dann wird die Musik leiser, zu hören ist die Originalaufnahme eines Notrufs. Es ist Sara Garfunkel, die gerade ihren Sohn tot aufgefunden hat – den bekannten argentinischen Sonderstaatsanwalt Alberto Nisman.

Genre Emmy-Preisträger Justin Webster hat sich in seiner neuesten Produktion mit den mysteriösen Todesumständen des berühmten Regierungskritikers auseinandergesetzt – und damit ein ganz neues Genre des dokumentarisch-seriellen Erzählens geschaffen. Die Dokuserie Nisman – Tod eines Staatsanwalts rekonstruiert in sechs Folgen minutiös die Umstände von Nismans Tod, der bis heute nicht gänzlich aufgeklärt wurde. Wie ein Puzzle setzt Webster die verschiedenen Elemente zusammen.

Die Handlung setzt lange vor dem Tod Nismans ein – am 18. Juli 1994, am Tag des Bombenanschlags auf das AMIA-Gebäude in Buenos Aires, eine Zentrale der Jüdischen Gemeinde in Argentinien. Bei dem Attentat wurden 85 Menschen ermordet und weitere 300 verletzt. Der Attentäter konnte zehn Jahre später zwar identifiziert werden, die Hintergründe der Tat wurden jedoch nie geklärt.

AMIA Bereits 1997 wird der jüdische Jurist Nisman zu den AMIA-Ermittlungen hinzugezogen, arbeitet sich hoch und tritt bei dem Prozess später als einer der Staatsanwälte auf. Er wirft dem Iran vor, hinter dem Attentat zu stecken, und beschuldigt kurz vor seinem Tod die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, die Aufklärung des Falles zu verhindern, um den Iran zu entlasten. Er kündigt an, Beweise für diese Unterstellung zu präsentieren.

Doch wenige Stunden vor Veröffentlichung seiner Ermittlungsergebnisse wird Nisman leblos in seinem Apartment aufgefunden – getötet durch einen Kopfschuss. Während viele sicher sind, dass die Regierung hinter seinem Tod steckt, weist diese die Schuld von sich und verdächtigt den argentinischen Geheimdienst.

Serie Suizid oder Mord – dieser Frage geht die Serie auf den Grund. Dazu greift Webster vor allem auf Originalaufnahmen zurück, etwa Ausschnitte aus dem AMIA-Prozess. Besonders eindringlich: die Aufnahmen der Polizei, die die Untersuchung von Nismans Wohnung dokumentieren – flüchtige Bilder von der Tageszeitung, die ungelesen vor der Haustür liegt, oder der zurückgeschlagenen, zerknitterten Bettdecke. Sie verdeutlichen, wie plötzlich hier jemand aus dem Leben geschieden ist.

Die Kamera nimmt den Zuschauer sogar mit in das Badezimmer, in dem die Leiche Nismans liegt. Eine rote, eingetrocknete Blutlache bedeckt den Boden, man sieht die bleichen, starren Beine Nismans und eine Waffe, die neben ihm liegt. Es sind Aufnahmen, die schockieren – heute genauso wie damals.

»Nisman – Tod eines Staatsanwalts« wurde vergangene Woche erstmals auf dem Cologne Film Festival gezeigt. TV-Erstausstrahlung in Kürze auf ZDFinfo

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025

Show-Legende

Mr. Bojangles: Sammy Davis Jr. wäre 100 Jahre alt geworden

Er sang, tanzte, gab den Spaßmacher. Sammy Davis Jr. strebte nach Erfolg und bot dem Rassismus in den USA die Stirn. Der Mann aus Harlem gilt als eines der größten Showtalente

von Alexander Lang  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

Philosophie

Drang zur Tiefe

Auch 50 Jahre nach ihrem Tod entzieht sich das Denken Hannah Arendts einer klaren Einordnung

von Marcel Matthies  04.12.2025

Kulturbetrieb

»Wie lange will das politische Deutschland noch zusehen?«

Der Bundestagskulturausschuss hörte Experten zum Thema Antisemitismus an. Uneins war man sich vor allem bei der Frage, wie weit die Kunstfreiheit geht

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025