Wannsee-Konferenz Berlin

Streit um neue Dauerausstellung

Nach kritischen Nachfragen und internen Debatten hat die Gedenkstätte zur Wannsee-Konferenz in Berlin einen Teil ihrer neuen Dauerausstellung geändert. Eine Station, bei der die Besucher aufgefordert werden, über Lehren aus der Verfolgung der Juden nachzudenken, werde in dieser Form nicht in Betrieb genommen, sagte der Direktor der Gedenkstätte, Hans-Christian Jasch, am Freitag.

An der Station mit einem Video-Monitor wurden Bilder etwa mit einer Verbotstafel für junge, männliche Flüchtlinge vor einem Schwimmbad aus dem Sommer 2016 in Bezug zur Vertreibung der Juden aus dem öffentlichen Leben gesetzt. Die Zeichnung des Publikumsandrangs vor einem Laden für Billigkleidung wiederum wurde mit dem Verkauf von Besitz deportierter Juden in der NS-Zeit verbunden.

Die Absicht sei, damit eine Debatte über Zuschauen und Wegsehen anzustoßen und keine Vergleiche zu ziehen, hatte die stellvertretende Direktorin Elke Gryglewski noch am Donnerstag gesagt. Sollten Missverständnisse aufkommen, wolle die Ausstellung auf solche Beispiele verzichten.

präsentation In der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz wird am Sonntag eine neue Dauerausstellung eröffnet. Die vollkommen neu gestaltete Präsentation solle künftig ein breiteres Publikum anziehen und den Prozess der Verfolgung und den Völkermord an den Juden im Nationalsozialismus verständlich machen, sagte Hans-Christian Jasch am Donnerstag in Berlin. Dazu setze die Ausstellung auf ein inklusives »Design für Alle«, das auch Bedürfnisse etwa von Rollstuhlfahrern, Blinden und Lernbehinderten berücksichtige.

Eine »Partizipationsstation« mit Gegenwartsbezügen stieß während der Pressekonferenz am Vormittag allerdings auf heftige Kritik von mehreren Journalisten. In einem elektronischen Schaukasten hieß es im Zusammenhang mit dem Verbot für Juden, in den 30er-Jahren Schwimmbäder zu betreten: »Im Sommer 2016 werden an einigen öffentlichen Schwimmbädern Schilder aufgestellt, mit dem Hinweis, dass junge männliche Geflüchtete diese Bäder nicht alleine besuchen dürfe. Damit reagieren die Gemeinden auf die verbreitete Unterstellung, dass Geflüchtete häufig deutsche Frauen belästigen würden.«

Eine »Partizipationsstation« mit Gegenwartsbezügen stieß während der Pressekonferenz am Vormittag allerdings auf heftige Kritik von mehreren Journalisten.

Ein entsprechendes Plakat wurde nicht präsentiert. Im Folgetext hieß es: »Es ist ein heißer Sommertag. Man freut sich auf den Besuch im Schwimmbad. Vor dem Eingang steht das Plakat, das jungen männlichen Geflüchteten den Zutritt verwehrt. Kann man das Verhalten derjenigen, die in dieses Schwimmbad gehen, vergleichen mit dem der Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus das Freibad am Wannsee betreten haben?«

Plakat Gut zwei Stunden nach Ende der Pressekonferenz teilte die Gedenkstätte mit, sie wolle den Journalisten »für Ihre ehrlichen Rückmeldungen zur Partizipationsstation zu Gegenwartsbezügen danken, die wir hausintern auch schon diskutiert hatten und von daher sehr ernst nehmen. Da Sie für uns nicht nur Journalistinnen und Journalisten, sondern auch unsere ersten Besucherinnen und Besucher sind, haben wir uns entschieden, die Station nicht in Betrieb zu nehmen«.

Zur Eröffnung der Ausstellung werden am Sonntag die Auschwitz-Überlebende Eva Fahidi und Außenminister Heiko Maas erwartet.

Die sogenannte Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 versammelte in der Villa im Südwesten Berlins eine Runde aus 15 Vertretern der Reichs- und Besatzungsbehörden sowie aus SS und Polizei. Thema war die Durchführung des Massenmordes an allen europäischen Jüdinnen und Juden. Schon vorher war es in der deutsch besetzten Sowjetunion zu Erschießungen gekommen, und in Transporten wurden Juden in Zügen »nach dem Osten« verschleppt.

eröffnung Zur Eröffnung der Ausstellung »Die Besprechung am Wannsee und der Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden« werden am Sonntag unter anderen die Auschwitz- und Buchenwald-Überlebende Eva Fahidi und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erwartet. Die Kosten der neuen Dauerausstellung betrugen rund 2,1 Millionen Euro. Finanziert wurden sie aus Lottomitteln und aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU).

Wegen Schließung der alten, seit 2006 gezeigten Dauerausstellung im September 2019 gingen im vergangenen Jahr die Besucherzahlen auf 96.859 Besucher zurück. 2018 waren es fast 10.000 Menschen mehr.  (mit epd, dpa)

Lesen Sie mehr in der kommenden Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

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