Sprachgeschichte(n)

Schund und Schofel

»Schofele sechore« nennt man auf Jiddisch minderwertige Handelsware. Foto: imago

Für jeden Redakteur oder Lektor ist es ein Graus, wenn unverlangte Manuskripte auf dem Schreibtisch landen. Das erging schon Gottfried August Bürger so, dem berühmten Dichter des Sturm-und-Drang.

Einige Monate, nachdem er 1778 die Redaktion der damals berühmtesten deutschen Literaturzeitschrift, des »Göttinger Musenalmanachs«, übernommen hatte, schrieb er seinem Verleger Dieterich: »Es ist ganz unbeschreiblich, was für eine Menge Schofel schon wieder eingelaufen ist.« Bürger schien an dem Wort einen Narren gefressen zu haben. Selbstironisch gab er sich zuweilen das Pseudonym »Dietrich Schofelschreck« und empfahl seinen »Schofellieferanten«, ihre »Schofelwerke« zu verbrennen – das würde ihn der Bestellung eines eigenen »Schofelregistrators« entheben.

schäbig Das ursprünglich aus dem hebräischen šafal (wertlos) stammende, vom Rotwelschen aus dem westjiddischem schophol (lumpig) entlehnte und über die Studenten- in die Umgangssprache eingedrungene Adjektiv schofel (mit seinen Varianten schofelig und schoflig) ist bis heute gebräuchlich. Das Leipziger »Wortschatz-Portal« nennt als Synonyme »abscheulich«, »garstig«, »geizig«, »hundsgemein«, »infam«, »miserabel« sowie »ruchlos«, und zitiert als Beleg den Berliner Tagesspiegel: »So steht schofel hier wie dort für schäbig oder niederträchtig.«

Das Substantiv Schofel definiert der Duden – Deutsches Universalwörterbuch als »etwas (besonders eine Ware), die als schlecht, schäbig angesehen wird, nichts taugt«, – kurz, als »Schund«. »Schofele sechore« nannte man im Jiddischen minderwertige Ware. Ganz wie Heinrich Heine in seinem Gedicht Erlauschtes klagt: »Und hab’ für all mein schönes Geld/Nur Schund, nur Schofel bekommen.«

schuft Noch eine zweite Definition findet man im Duden. Ein Schofel ist eine »männliche Person, die als niederträchtig angesehen wird«, sprich, ein »Schuft«. Gustav Gründgens zum Beispiel, der mit den Nazis kollaborierende geniale, aber opportunistische Schauspieler. Über ihn schrieb der Theaterkritiker Friedrich Luft: »Er war der anrüchige Monokelträger. Er wurde genutzt als der Schofel, der dahinschwelende Schurkentyp ...«

Schofels tummeln sich aber nicht nur auf der Bühne, sondern offenbar auch in der Politik. Der verstorbene SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz notierte 1989 in einem Brief: »Es gibt wenige Menschen, die niemals schofel sind; und es ist absolut nicht auszumachen, wie es zu bewerkstelligen wäre, dass die nun plötzlich alle in die Politik strömen.«

Restitution

»Das Ausmaß hat uns überrascht«

Daniel Dudde über geraubte Bücher, Provenienzforschung an Bibliotheken und gerechte Lösungen

von Tobias Kühn  15.07.2025

Haskala

Medizin für die jüdische Nation

Aufgeklärte jüdische Ärzte sorgten sich um »Krankheiten der Juden«. Das wirkte auch im Zionismus nach

von Christoph Schulte  15.07.2025

Literatur

Vom Fremden angezogen

Die Schriftstellerin Ursula Krechel, Autorin des Romans »Landgericht«, wird mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet

von Oliver Pietschmann  15.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  15.07.2025

Musik

Zehntes Album von Bush: »Wie eine Dusche für die Seele«

Auf ihrem neuen Album gibt sich die britische Rockband gewohnt schwermütig, aber es klingt auch Zuversicht durch. Frontmann Gavin Rossdale hofft, dass seine Musik Menschen helfen kann

von Philip Dethlefs  15.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte. Bis er eine entscheidende Rolle von den Coen-Brüdern bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  14.07.2025

Musik

Der die Wolken beschwört

Roy Amotz ist Flötist aus Israel. Sein neues Album verfolgt hohe Ziele

von Alicia Rust  14.07.2025

Imanuels Interpreten (11)

The Brecker Brothers: Virtuose Blechbläser und Jazz-Funk-Pioniere

Jazz-Funk und teure Arrangements waren und sind die Expertise der jüdischen Musiker Michael und Randy Brecker. Während Michael 2007 starb, ist Randy im Alter von fast 80 Jahren weiterhin aktiv

von Imanuel Marcus  14.07.2025